# taz.de -- Korrespondenten über ein Jahr Schwarz-Gelb: Im Osten nichts Neues | |
> Angela Merkel gestaltet nicht, sie verwaltet das Land. Dabei gehen die | |
> Visionen verloren. Und deshalb wird über Laufzeiten diskutiert anstatt | |
> über Bildung und Integration. | |
Bild: Spaß scheint es ihnen trotzdem zu machen: Westerwelle und Merkel. | |
"Nichts Neues" - seit Monaten schicke ich regelmäßig diese Botschaft nach | |
Frankreich, wenn die Frage nach der Regierung Merkel-Westerwelle aufkommt. | |
Leere Debatten, verschobene Reformen und schwache Kompromisse. Viel | |
schlimmer noch: keine Spur von Visionen. Seitdem das neue Duo Angela Merkel | |
und Guido Westerwelle regiert, ist das Bild von Deutschlands Zukunft | |
ziemlich trübe geworden. | |
Man weiß nicht wirklich, wo die Reise hingehen soll. Nur eines ist sicher: | |
der andauernde Konflikt zwischen zwei angeblich idealen Partnern. Das | |
reicht aber nicht, um Deutschland für meine Auftragsgeber schmackhaft zu | |
machen. | |
Auch die Menschen hierzulande scheinen ihr Interesse an der Berliner | |
Politik zu verlieren - abgesehen von den immerlauten Atomkraftgegnern | |
natürlich. Sie registrieren mit Fatalismus, dass der Staat ihnen immer mehr | |
abverlangt, während viele Probleme bleiben. Die Teflon-Kanzlerin, an der | |
jede Polemik abperlt, scheint es am wenigsten zu stören. Sie versucht vor | |
allem das Land zu verwalten und profitiert von den Reformen, die von | |
früheren Regierungen in Gang gesetzt wurden. In den Jahren der rot-grünen | |
Regierung von Gerhard Schröder konnte man sich wenigstens über Hartz IV | |
oder die doppelte Staatsbürgerschaft streiten. | |
Während der Großen Koalition waren das Elterngeld und die Rente mit 67 | |
lange Zeit in aller Munde. Und heute? Man berichtet lieber über regionale | |
Kontroversen wie Stuttgart 21 oder die gescheiterte Schulreform in Hamburg | |
als über die Versuche von Herrn Rösler, das Gesundheitssystem umzukrempeln. | |
Wenn es überhaupt etwas zu berichten gibt, dann sind es für meine | |
Landsleute eher enttäuschende Nachrichten. In Paris hatte man die ersten | |
Botschaften der neuen Bundesregierung etwas missverstanden. Man dachte, die | |
neue Führung sei jetzt endlich auf gutem Weg, sich vom französischen Modell | |
inspirieren zu lassen. Soll heißen: kräftig Steuern senken, um weiter über | |
seine Verhältnisse zu leben; dafür mehr konsumieren, um sich ein bisschen | |
von diesem bedrohlichen deutschen Exportmodell zu entfernen. Das Gegenteil | |
ist eingetreten. | |
Deutschland spart wieder und lebt weiter vom Export seiner Maschinen. Als | |
die französische Regierung aus ihren schönen Träumen erwachte und sich in | |
der Griechenlandkrise ständig die Lektionen deutscher Sparpolitik anhören | |
musste, wuchs der Groll. | |
Nur in einem Punkt wirkt Berlin aus Pariser Sicht sicherlich vernünftig: | |
mit dem Kompromiss über die Verlängerung der Laufzeit der Atommeiler hat | |
sich die Regierung Merkel-Westerwelle der französischen Energiepolitik ein | |
Stück wieder angenähert. Und wie Frankreich bekommt auch Deutschland bald | |
eine Berufsarmee. Gab es denn keine dringenderen Baustellen wie Bildung, | |
Steuerreform oder Integrationspolitik? Beim letzerem Thema wäre es auch für | |
Frankreich hilfreich, andere Stimmen und Vorschläge aus Deutschland zu | |
hören als die von Thilo Sarrazin. | |
Am Montag sind in der Print-Ausgabe der taz elf Texte von | |
Deutschland-Korrespondenten renommierter Auslandsmedien, die eine | |
Zwischenbilanz über ein Jahr schwarz-gelbe Koalition ziehen, erschienen. | |
27 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Cecile Calla | |
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