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# taz.de -- Korrespondenten über ein Jahr Schwarz-Gelb: Frau Merkel schätzt m…
> Kanzlerin Merkel wird missverstanden: Anders als behauptet wird, hat sie
> eine Leitidee, die es verdient, "Vision" genannt zu werden, urteilt der
> "Economist"-Korrespondent.
Bild: Skeptischer kann man kaum gucken: Kanzlerin Angela Merkel.
The Economist sprach sich vor einem Jahr für eine christlich-liberale
Koalition aus. Vor den Wahlen baten wir die Deutschen, "Angela Merkel
freizugeben". Wir glaubten, sie müsse sich von der SPD lösen, die nach den
Schröder-Jahren Angst vor Reformen hatte, und könne in einer Koalition mit
den Liberalen ihre Reformagenda verwirklichen: Gesundheit, Arbeitsmarkt,
Steuern. Danke, dass Sie unserer Empfehlung gefolgt sind. Was das Resultat
angeht, ist The Economist jedoch bis jetzt auch nicht begeisterter als die
meisten deutschen Wähler.
Dennoch möchte ich in einem Punkt widersprechen, bei dem ich glaube, dass
Frau Merkel missverstanden wird. Ich meine damit die Annahme, sie habe
keine "Vision". Logisch, dass ihre Gegner das so sehen. Doch selbst ihre
Anhänger beklagen fehlende politische Leidenschaft. Da, wo sie mit dem
Herzen dabei sein sollte, beeindrucke sie mit einer bewundernswerten
Detailkenntnis der Materie, Pragmatismus und Machtinstinkt.
Dem stimme ich so nicht zu. Richtig, Merkel sind Ideologie und Pathos
fremd. Trotzdem hat sie eine Leitidee, die es verdient, "Vision" genannt zu
werden. Sie will Deutschland auf die ferne Zukunft vorbereiten -
hinsichtlich solcher Herausforderungen wie dem demografischen und
klimatischen Wandel, der Integration, dem Aufstieg Asiens. Einige davon
spiegeln sich in den Ängsten wider, die Thilo Sarrazin so brisant vermischt
hat.
Warum nur wird Angela Merkel des Opportunismus bezichtigt? Vielleicht weil
sie es nicht geschafft hat, ihr Anliegen in einer "erzählerischen
Verpackung" zu vermitteln. Für eine politische Führungspersönlichkeit ist
nicht allein entscheidend, was sie tut, sondern wie sie erklärt, warum sie
es tut. Sie müsste dies mit einer spannenden Geschichte tun, damit ihre
Wählerschaft den Sinn ihres Handelns versteht.
Eine derartige Vorgehensweise ist Frau Merkel fremd. Das war während der
großen Koalition auch nicht so wichtig - sie war die erste ostdeutsche
Kanzlerin. Doch dann kam die Krise, und damit war eher Handeln als Erklären
gefragt. Die große Koalition bot damals selbst Stoff für eine Geschichte:
Während sich Trojaner und Achaier die Köpfe einschlugen, thronte Frau
Merkel auf dem Olymp, bis der Moment der Verkündung von Sieg oder
Niederlage kam. Bei Schwarz-Gelb hat sie eine andere Rolle zu spielen,
nämlich eher die einer Königin von Kriegern. Noch immer sagt sie nicht,
wofür und warum ihr Heer kämpft.
Weil Angela Merkel schwer zu deuten ist, wird sie schnell unterschätzt. Die
Leistungen der großen Koalition waren besser als angenommen. Ich sage nicht
voraus, dass Frau Merkels Kritiker unrecht haben werden, gibt es doch viele
Möglichkeiten zu scheitern. Doch ich habe sie nicht abgeschrieben. Frau
Merkel, so ist meine Vermutung, wird man eines Tages wohl eher im Rückblick
zu schätzen wissen.
Übersetzung: Sabine Seifert
Am Montag erscheinen in der Print-Ausgabe der taz elf Texte von
Deutschland-Korrespondenten renommierter Auslandsmedien, die eine
Zwischenbilanz über ein Jahr schwarz-gelbe Koalition ziehen.
26 Sep 2010
## AUTOREN
Brooke Unger
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