# taz.de -- Schwarz-gelbes Energiekonzept: Röttgen trickst bei Reaktor-Sicherh… | |
> Umweltminister Röttgen verspricht "zusätzliche Sicherheit" für | |
> Atomkraftwerke – doch in Wahrheit wird sie durch das geplante Gesetz | |
> massiv beschränkt. | |
Bild: Scheinwerfer beleuchten im Kraftwerk Gundremmingen (Schwaben) den offenen… | |
Die Aussage des Umweltministers lässt an Klarheit scheinbar nichts zu | |
wünschen übrig: Bei der Novelle des Atomgesetzes werde die Sicherheit | |
"durch eine zusätzliche Stufe deutlich verbessert", hatte Norbert Röttgen | |
bei der Präsentation des Energiekonzepts der Regierung am Dienstag gesagt. | |
Die Betreiber könnten erstmals zur Nachrüstung auf den Stand von | |
Wissenschaft und Technik verpflichtet werden. Am Mittwoch bekräftigte er im | |
Bundestag, es werde "eine neue Qualität an Sicherheit im Atomrecht" | |
eingeführt. | |
Tatsächlich wird ins Gesetz ein neuer Paragraf 7d mit dem Titel "Weitere | |
Vorsorge gegen Risiken" eingefügt. Doch dass dadurch die Sicherheit | |
gesteigert wird, daran gibt es erhebliche Zweifel. Rainer Baake, unter | |
Jürgen Trittin Staatssekretär im Bundesumweltministerium und heute | |
Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, wirft Röttgen "eine | |
Sprachverdrehung von wahrhaft orwellscher Dimension" und eine "perfide | |
Strategie" vor: "Statt mehr Sicherheit bringt das Gesetz deutlich weniger." | |
Schon heute seien die Betreiber von Atomkraftwerken durch Gesetz und | |
Gerichtsentscheidungen zur "bestmöglichen Vorsorge" gegen alle Risiken | |
verpflichtet, die nicht zu sogenannten hinnehmbaren Restrisiken gehören, | |
erläuterte Baake. Wenn durch den neuen Paragrafen 7d eine neue Kategorie | |
der "weiteren Vorsorge" eingeführt werde, stelle dies faktisch eine | |
Verschlechterung gegenüber der "bestmöglichen Vorsorge" dar. Welche Risiken | |
in die neue Kategorie fallen, ist der Aufsichtsbehörde selbst überlassen. | |
Eine gravierende Konsequenz sei, dass Bürger gegen Risiken, die unter die | |
neue Kategorie fallen, künftig nicht mehr klagen können. "Um die | |
Laufzeitverlängerung abzusichern, wird das mühsam erstrittene Recht auf | |
Klagen, etwa gegen Terrorschutz, durch die Hintertür wieder abgeschafft", | |
sagte Baake. | |
Röttgen bestritt das am Mittwoch im Bundestag auf Nachfrage ausdrücklich: | |
"Alle Klagemöglichkeiten, die es bisher gab, bleiben erhalten." In der | |
Begründung der Regierung zur Atomgesetznovelle steht allerdings das | |
Gegenteil: Die Vorsorge unter der neu geschaffenen Kategorie sei "nicht | |
drittschützend" auszugestalten, was im Juristendeutsch bedeutet, dass keine | |
Klagen möglich sind. | |
Diese Einschätzung teilt auch Erich Schmalfuß, der als parteiloser | |
Justizminister im schwarz-gelb regierten Schleswig-Holstein für die | |
Atomaufsicht zuständig ist: In einem Brief an Röttgen hatte er die "in § 7d | |
AtG verankerte Einschränkung des Rechtsschutzes Dritter" als "gänzlich | |
inakzeptabel" bezeichnet. Auch teilt Schmalfuß die Sorge, dass die neue | |
Regelung im Ergebnis "zu einer Absenkung des verfassungsrechtlich gebotenen | |
hohen Schutzniveaus führen könnte". Die SPD prüft nach Angaben ihres | |
umweltpolitischen Sprechers Ulrich Kelber eine Verfassungsklage gegen die | |
geplante Einschränkung des Rechtswegs. Auch Grüne und Linke kritisierten | |
die Pläne und den Zeitdruck, mit dem das Gesetz durchs Parlament gebracht | |
werden soll. | |
Wie groß die Sicherheitsmängel in deutschen AKWs tatsächlich sind, geht | |
nach Ansicht der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW aus einem jetzt | |
bekanntgewordenen Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit hervor: | |
Demnach funktionieren in mehreren deutschen Reaktoren die Notfallmaßnahmen | |
nicht einwandfrei. | |
29 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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