# taz.de -- Umweltschützer warnen vor Röttgen: Nur eine große Luftnummer | |
> Feinstaub in den Städten, doch die Regierung mache dreckige Autos | |
> billiger, warnen Umweltschützer. Denn Diesel werden von der Strafsteuer | |
> befreit, Rußfilter nicht gefördert. | |
Bild: Registrieren dicke Luft: Feinstaub-Messstation in Stuttgart | |
"Umweltschützer warnen: Norbert Röttgen gefährdet Ihre Gesundheit!" - das | |
ist in Kürze die Antiwerbung für den Bundesumweltminister, die führende | |
Umwelt- und Verkehrsverbände am Dienstag verbreitet haben. | |
Ihre Analyse nach gut einem Jahr schwarz-gelber Regierung: Die Republik | |
verstaubt. Das macht krank wie Passivrauchen. Und die Kommunen werden dafür | |
zahlen müssen. Es ist das erste Mal, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH), | |
der Naturschutzbund (Nabu), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und | |
der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) den | |
CDU-Politiker, in den sie zunächst hohe Erwartungen setzten, so rigoros | |
kritisieren. | |
Der Minister wickle die Luftreinhaltepolitik ab, erklärte Jürgen Resch von | |
der DUH. Jeder von Röttgens Vorgängern, darunter Klaus Töpfer oder Angela | |
Merkel (beide CDU), habe neue "Impulse gegeben" - der derzeitige Chef im | |
Umweltressort nicht. | |
Der Hintergrund: In rund 25 Städten wurden in diesem Jahr schon an mehr als | |
35 Tagen Feinstaubbelastungen gemessen, die über dem von der EU | |
vorgegebenen Limit lagen, in München an der Landshuter Allee zum Beispiel, | |
aber auch in Stuttgart am Neckartor oder in Kiel an der Bahnhofstraße. 35 | |
Tage - das ist die kritische Zahl, häufigere Überschreitungen sind nach | |
Vorgaben der EU nicht erlaubt. | |
Denn die kleinen Partikel können Lungenkrebs, Asthma oder | |
Herz-Kreislauf-Schwächen auslösen, sagt der Nabu-Verkehrsexperte Dietmar | |
Oeliger - " das ist vergleichbar mit Gefahren durch Tabakkonsum". Die | |
Limits gelten schon seit 2005, doch die Städte und Gemeinden haben das | |
Problem nicht im Griff. Die EU hat darum immer wieder Übergangsfristen | |
gewährt, zum Juni 2011 laufen diese nun aber endgültig aus. Dann drohen | |
Deutschland Strafen - das können täglich 50.000 Euro sein. Die | |
Bundesregierung hat bereits erklärt, diese durchzureichen an die ohnehin | |
schon klammen Kommunen. | |
Röttgen lasse Städte und Gemeinden im Stich, meint Werner Reh vom BUND. | |
Zunächst seien zwar die Politiker vor Ort dran. In 42 Städten gibt es | |
bereits Umweltzonen. Dort dürfen nur Autos und Lkw mit einer modernen | |
Abgasreinigung fahren - von Ausnahmen für Oldtimerbesitzer oder | |
Warenlieferanten abgesehen. Diesel, aus deren Auspuff das Gros der | |
Feinstäube stammt, werden damit verbannt. Nur: Es reicht nicht, meint Reh. | |
Städte werden ihre Umweltzonen verschärfen, andere sie jetzt einrichten | |
müssen. Im Osten gibt es beispielsweise nur in Berlin eine Umweltzone. In | |
Leipzig kommt sie Anfang des Jahres. Doch in Halle, Magdeburg oder Dresden | |
- Fehlanzeige. Die Politiker streiten noch. | |
Sie könnten sich leichter tun, wenn der Bund die Autofahrer anspornen | |
würde, alte Dieselstinker mit einem Filter nachzurüsten. Dann würde diese | |
ein Fahrverbot in der Umweltzone nicht treffen und die Politiker müssten | |
weniger Angst haben, ihre Wähler zu vergrätzen. Doch im Gegenteil will | |
Röttgen die bisherige 330-Euro-Nachrüstprämie pro Filter im nächsten Jahr | |
nicht weiterführen. | |
Am Geld liege es nicht, aber am Willen, meint Gerd Lottsiepen vom VCD. Seit | |
2007, seit einer Neuregelung der KFZ-Steuer durch die damalige schwarz-rote | |
Koalition, zahlen Besitzer von Diesel ohne Filter einen Aufschlag auf diese | |
Abgabe, 1,20 Euro pro 100 Kubikzentimeter. Davon stehe allein im Jahr 2010 | |
Geld zur Förderung von 160.000 Filtern zur Verfügung. Ab April 2011 soll | |
die Strafsteuer jedoch wegfallen. | |
Und weil die Koalition auch die zum Januar geplante Mauterhöhung für Lkw | |
der Schadstoffklasse Euro III aussetzt, resümiert Umweltschützer Resch: | |
"Dreckige Fahrzeuge werden billiger." Röttgen wehre sich nicht, | |
Umweltpolitik finde nicht statt. Der CDU-Politiker äußerte sich bis zum | |
Redaktionsschluss der taz nicht zu den Vorwürfen. | |
19 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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