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# taz.de -- 2. Zusammenfassung "Stuttgart 21" Protest: Verletzte im Sekundentakt
> 12.000 Menschen haben gegen die Fällung von Bäumen im Stuttgarter
> Schlossgarten demonstriert. Viele von ihnen sagen: Einen solchen
> Polizeieinsatz haben sie noch nicht erlebt.
Bild: Sanitäter am 30.09. im Stuttgarter Schlosspark.
STUTTGART taz | Der Mann, schon etwas älter, hat Tränen in den Augen. Er
kann es nicht fassen, was er am Donnerstagnachmittag im Stuttgarter
Schlossgarten sieht. "Im Sekundentakt werden hier verletzte Leute
vorbeigeführt", sagt er. "Ich weiß nicht, was noch Schlimmeres in unserem
Land passieren kann. Ich rede viel mit Polizisten, die waren noch nie
unfreundlich. Aber wenn man jetzt sieht, wie die hier eingreifen.... Ein
Zurück wird es jetzt nicht mehr geben - die Leute sind derart in Rage!"
Der Streit um das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" ist endgültig eskaliert.
Am Donnerstag rückte die Polizei mit Hundertschaften an und sperrte immer
größere Teile des Schlossgartens nahe des Hauptbahnhofes ab. Dabei gingen
sie mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen die Demonstranten vor, den
Einsatz von Tränengas und von Schlagstöcken hat die Polizei jedoch
dementiert.
Die Demonstranten waren seit dem Morgen nach und nach zu Tausenden in den
Park gekommen. Voraussichtlich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag soll
der erste der insgesamt etwa 280 Bäume gefällt werden. Bis Mitternacht,
also bis zum 1. Oktober, ist dies noch wegen der Vegetationszeit gesetzlich
verboten.
Aufgrund des massiven Polizeieinsatzes habe es, so schätzen die so
genannten aktiven Parkschützer, mehr als 1.000 Menschen mit
Augenverletzungen gegeben. Andere hätten Prellungen und Platzwunden
erlitten und auch eine Gehirnerschütterung habe es nach Auskunft der
Parkschützer gegeben. Die Krankenhäuser in Stuttgart seien überlastet. Vor
Ort selbst haben viele freiwillige Helfer die Verletzten versorgt.
Insgesamt seien im Schlossgarten etwa 12.000 Demonstranten gewesen.
Gegen 17 Uhr schien sich die Lage vor Ort zumindest ein wenig zu beruhigen.
Einige machten den Eindruck, als müssten sie nun erst einmal verdauen, was
da gerade passiert war. Traurig und gedankenverloren starrte eine Frau auf
den Boden. Andere versuchten im Gespräch mit Demonstranten zu verstehen.
"So eine Prügeltruppe, das habe ich noch nicht gesehen", sagte ein Mann.
Ein anderer schimpfte: "Das ist eine Provokation auf der ganzen Linie.
Diese Arroganz der Politiker!" Immer wieder fiel das Wort
"verhältnismäßig", hinter das an diesem Tag zumindest ein dickes
Fragezeichen gesetzt wurde.
Die Polizei erklärte, vor dem Einsatz der Wasserwerfer seien die Leute
drei- bis viermal gewarnt worden und aufgefordert, den Weg zu verlassen.
Und weiter: "Es waren die mildesten Mittel, die man einsetzen konnte",
sagte Fritz Erlach von der Presseabteilung über die Wasserwerfer und das
Pfefferspray.
Am späten Nachmittag begann die Polizei dann damit, die besetzen Bäume zu
räumen. Dafür waren Sondereinsatzkräfte mit Bergsteiger-Ausbildung
gekommen, die auf einer Hebebühne in die Baumkronen kamen. Wie die
Parkschützer berichteten, hätten sich zwei Demonstranten in Betonröhren
einbetonieren lassen, drei Personen seien in Metallrohren um einen Baum
angekettet. Sie wollten die vorrückenden Maschinen, die beim Fällen der
Bäume zum Einsatz kommen sollen, aufhalten.
Am Donnerstagvormittag hatte es zunächst eine angemeldete
Schülerdemonstration unter dem Motto "Bildung statt Stuttgart 21" gegeben.
Als die Polizei anrückte, vermischte sich die Demo mit weiteren S21-Gegnern
und Baumbesetzern im Schlossgarten. Daraufhin griff die Polizei durch.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Winfried Kretschmann,
bezeichnete das Vorgehen der Polizei als eine "völlig unangebrachte
Demonstration der Macht". "Es gibt keinen erkennbaren Grund, ausgerechnet
zum Zeitpunkt einer angemeldeten und genehmigten Schülerdemonstration den
Baumfällertrupps mit einem unangemessenen Großeinsatz der Polizei den Weg
freizuräumen", sagte Kretschmann. Der Einsatz sei offenkundig Teil einer
Konfrontationsstrategie von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), der sich
als Hardliner beweisen wolle.
"Wer keine Argumente mehr hat, schlägt zu", kritisierte auch die
Vorsitzende des baden-württembergischen BUND-Landesverbandes, Brigitte
Dahlbender. Die Umweltschutzorganisation hat am Donnerstag beim
Verwaltungsgericht Stuttgart eine einstweilige Anordnung gegenüber dem Land
Baden-Württemberg beantragt. "Mit diesem rechtlichen Schritt wollen wir die
Landesregierung verpflichten, gegenüber der Deutschen Bahn anzuordnen, alle
Abriss- und Baumfällarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof und im
Schlossgarten mit sofortiger Wirkung zu stoppen", sagte Dahlbender.
Dieser Baustopp müsse solange gelten, bis in einem ergänzenden
Planfeststellungsverfahren oder im Wege der Planergänzung die vom BUND
gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) geltend gemachten
artenschutzrechtlichen Verstöße in Bezug auf streng geschützte Tierarten,
beispielsweise Fledermäuse, ausgeräumt werden.
Die Linkspartei kündigte ein Nachspiel an und verlangt eine Klärung der
Geschehnisse. "Die Meldungen über den massiven Polizeieinsatz am heutigen
Tage in Stuttgart gegen tausende Demonstranten und die hohe Zahl von
verletzten Personen haben die Fraktion Die Linke dazu veranlasst, für den
morgigen Freitag eine Sondersitzung des Innenausschusses zu fordern", sagte
Innenexperte Jan Korte am Donnerstagabend in Berlin.
30 Sep 2010
## AUTOREN
Nadine Michel
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Schwerpunkt Stuttgart 21
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