# taz.de -- Islamfeind Wilders in Berlin: Lob für Sarrazin, Schelte für Merkel | |
> Die niederländischen Christdemokraten haben den Weg zu einer | |
> Minderheitsregierung unter Duldung des Rechtspopulisten Wilders frei | |
> gemacht. Dieser trat am Samstag in Berlin auf. | |
Bild: Mit Pappe gegen platte Parolen: Protest gegen Wilders in Berlin. | |
ARNHEIM/ BERLN dpa | Nach teils kontroversen Diskussionen haben Hollands | |
Christdemokraten die Weichen für eine Zusammenarbeit mit dem | |
Rechtspopulisten Geert Wilders gestellt. Eine Mehrheit von 68 Prozent der | |
fast 5000 Delegierten eines Sonderparteitages in Arnheim segnete am Samstag | |
einen vom Christdemokratischen Appell (CDA) sowie der rechtsliberalen VVD | |
mit der islamfeindlichen Freiheitspartei (PVV) ausgehandelten | |
Duldungsvertrag ab. Zeitgleich wetterte Wilders in Berlin gegen den Islam. | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er vor, einer Islamisierung | |
Deutschlands tatenlos zuzusehen. | |
Der CDA-Kongress machte den Weg frei zur Bildung einer Minderheitsregierung | |
aus VVD und CDA, der Wilders im Parlament für ausgewählte politische | |
Vorhaben die Mehrheit sichert. "Ich danke für Euer Vertrauen", sagte der | |
CDA-Fraktionsvorsitzende und designierte Vizeministerpräsident Maxime | |
Verhagen. Mit der Bildung der Regierung in Den Haag wird bis Mitte Oktober | |
gerechnet. Ministerpräsident soll VVD-Chef Mark Rutte (43) werden. Seine | |
Partei war bei den Wahlen am 9. Juni mit 31 Mandaten knapp stärkste Kraft | |
geworden. | |
Die noch erforderliche Zustimmung der CDA-Parlamentsfraktion gilt nun als | |
sicher. Wilders' Freiheitspartei, die bei den Wahlen drittstärkste Kraft | |
wurde, ist nicht direkt an dem Kabinett beteiligt. Sie bekommt jedoch | |
erheblichen Einfluss auf die Regierungspolitik. Zusammen haben die drei | |
Parteien 76 Abgeordnete und damit im 150-Sitze-Parlament nur eine Mehrheit | |
von einer Stimme. | |
Laut Duldungsabkommen soll die Einwanderung von Menschen aus islamischen | |
und anderen nichtwestlichen Ländern in den nächsten Jahren um 50 Prozent | |
zurückgedrängt werden. Akzeptierte Ausländer sollen Integrationskurse | |
künftig selbst bezahlen und bei Nichtteilnahme ausgewiesen werden können. | |
Gegen den Pakt mit Wilders hatten sich prominente CDA-Mitglieder | |
ausgesprochen. Der 95-jährige frühere Ministerpräsident (1967-71) Piet de | |
Jong warnte, die PVV verletze mit Hetze gegen den Islam das Grundrecht der | |
Religionsfreiheit: "Dass ich auf meine alten Tage noch miterleben muss, wie | |
Hand angelegt wird an die Religionsfreiheit, das darf doch nicht sein." Der | |
amtierende Justizminister Ernst Hirsch Ballin appellierte an die | |
Delegierten: "Tut das den Menschen nicht an, tut das unseren Partei nicht | |
an, tut das unserem Land nicht an." | |
Befürworter des Duldungsmodells wiesen darauf hin, dass Wilders' PVV am 9. | |
Juni von 1,5 Millionen Niederländern gewählt wurde. Der CDA hingegen sei | |
von 41 auf 21 Mandate abgesackt, weil viele Wähler zu Wilders abgewandert | |
seien. Die Christdemokraten dürften dessen Anhänger nicht ignorieren, | |
sondern müssten "Brücken bauen", forderte der amtierende Sozialminister | |
Piet Hein Donner. Der CDA werde in der Regierung garantieren, dass die | |
Rechte aller Menschen in den Niederlanden respektiert werden, | |
einschließlich der Muslime, versprach Verhagen. | |
Wilders' Auftritt in einem Berliner Hotel vor rund 500 zahlenden Anhängern | |
wurde von Protesten begleitet. Etwa 80 Demonstranten stimmten Sprechchöre | |
wie "Nazis raus!" an. Eingeladen hatte der frühere Berliner CDU-Politiker | |
René Stadtkewitz, der die Gründung einer neuen Partei mit dem Namen Die | |
Freiheit angekündigt hat. | |
In seiner Rede erklärte Wilders, Deutschlands nationale Identität, seine | |
Demokratie und Prosperität seien bedroht durch den Islam, der keine | |
Religion, sondern eine Ideologie sei. "Ein Deutschland voller Moscheen und | |
voller verschleierter Frauen ist nicht mehr das Deutschland Schillers und | |
Heines, Bachs und Mendelssohns." | |
Bundeskanzlerin Merkel akzeptiere die Islamisierung Deutschlands, | |
behauptete Wilders. Zugleich lobte er Thilo Sarrazin (SPD), dessen Thesen | |
zur mangelnden Integrationsbereitschaft muslimischer Zuwanderer eine | |
heftige Debatte ausgelöst hatten. Mit abfälligen Bemerkungen über Muslime | |
oder den Propheten Mohammed hielt er sich allerdings zurück. | |
Am Montag beginnt in Amsterdam das Hauptverfahren in einem Prozess gegen | |
Wilders wegen des Verdachts der Aufstachelung zum Hass gegen Muslime und | |
der Beleidigung von Anhängern des Islams. | |
3 Oct 2010 | |
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