# taz.de -- Machtkampf in Guatemala: Todesstrafe durch die Hintertür | |
> Die rechte Parlamentsmehrheit Guatemalas will Hinrichtungen mit Hilfe | |
> eines Gnadenrechts wieder möglich machen. Doch der Präsident weigert | |
> sich, das Gesetz zu unterschreiben. | |
Bild: Weigert sich, die gesetzlichen Grundlagen für die Wiedereinführung des … | |
SAN SALVADOR taz | Pünktlich zum internationalen Tag gegen die Todesstrafe | |
am 10. Oktober versucht das Parlament von Guatemala, eben diese durch die | |
Hintertür wieder einzuführen. Die rechte Mehrheit der Abgeordneten | |
beschloss am vergangenen Mittwoch ein Gesetz über Gnadengesuche von zum | |
Tode Verurteilten an den Präsidenten. Weil diese Regelung fehlt, kann die | |
eigentlich vorgesehene Todesstrafe seit 2001 nicht mehr vollstreckt werden. | |
Das Gesetz soll in der nächsten Woche Präsident Álvaro Colom zur | |
Unterschrift vorgelegt werden. Der ist ein Gegner der Todesstrafe. Um ihm | |
trotzdem die Zustimmung abzuluchsen, soll das Gesetz erst am 15. Januar | |
2012 in Kraft treten, einen Tag nach dem Ende der Amtszeit Coloms. Doch der | |
hat trotzdem sein Veto angekündigt. | |
Die Todesstrafe für Mord und Entführung war in Guatemala erst 1995 | |
eingeführt worden. Sie gilt nur für Männer. Drei Viertel aller seither | |
verhängten Todesstrafen wurden wegen Verfahrensfehlern wieder aufgehoben. | |
Die letzte Hinrichtung fand im Jahr 2000 statt. Seit 2001 sind die zehn | |
Todeskandidaten in guatemaltekischen Gefängnissen sicher: In jenem Jahr | |
setzte der damalige Präsident Alfonso Portillo das Recht auf Begnadigung | |
durch den Präsidenten außer Kraft. Ohne ein solches Gnadenrecht aber darf | |
nach einem Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs nicht | |
hingerichtet werden. Portillos Versuch, die Todesstrafe ganz abzuschaffen, | |
wurde von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt. | |
Bereits 2008 hatte das Parlament ein neues Gnadenrecht verabschiedet, das | |
jedoch am Veto von Colom scheiterte. Der zweite Versuch jetzt kommt im | |
Zusammenhang mit einem Gesetzespaket gegen die überbordende Gewalt der | |
"Maras" genannten Jugendbanden. Guatemala ist mit durchschnittlich 17 | |
Morden am Tag bei nur 13 Millionen Einwohnern eines der gefährlichsten | |
Länder der Welt. Die meisten dieser Morde werden von Medien und rechten | |
Politikern den Maras angelastet. Colom bauten die Parlamentarier eine | |
Brücke: Er selbst müsste nicht mehr über Leben und Tod entscheiden. | |
Trotzdem will der Präsident auch dieses Gesetz nicht unterzeichnen. | |
Er begründet seine Ablehnung des Gnadengesetzes mit der Verfassung, mit | |
rechtsphilosophischen Überlegungen und auch ganz persönlich: Die | |
Todesstrafe passe einfach nicht zu seiner sozialdemokratischen Gesinnung. | |
Rechtsphilosophisch mache es keinen Sinn, "wenn 30 oder 35 Richter sich | |
dazu durchringen, die Todesstrafe zu verhängen, und dann kommt ein Nero | |
daher und sagt ja oder nein." So werde das ohnehin schwache | |
guatemaltekische Justizsystem nicht gestärkt. Und schließlich schreibe auch | |
die Verfassung vor, dass der Staat das Recht auf Leben zu garantieren habe. | |
Auch der zweite Versuch der Wiedereinführung der Todesstrafe durch rechte | |
Parlamentarier scheint damit gescheitert. Trotzdem war er nicht umsonst. | |
Schon jetzt bringen sich mögliche Kandidaten für die Präsidentschaftswahl | |
in einem Jahr in Stellung. Das Gesetz war von Manuel Baldizón eingebracht | |
worden, dem Fraktionsvorsitzenden der rechten Partei "Erneuerte | |
demokratische Freiheit" (Lider). Der will im nächsten Jahr gewählt werden. | |
Schon jetzt ließ er verlauten, dass er, sollte er Präsident sein, | |
Gnadengesuche von Todeskandidaten ablehnen werde. Die Mehrheit der | |
Guatemalteken findet das laut Umfragen gut. | |
8 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Toni Keppeler | |
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