# taz.de -- Justizkrise in Guatemala: Mafia und Justiz unter einer Decke | |
> Der zurückgetretene Chef der UNO-Juristenkommission für Guatemala, Carlos | |
> Castresana, legt Beweise für Verbindungen zwischen der Justiz des Landes | |
> und Verbrechern vor. | |
Bild: Carlos Castresana legt Beweise für Mafiaverbindungen bis in hohe Justizk… | |
SAN SALVADOR taz | Carlos Castresana legt die Karten auf den Tisch. Der in | |
der vergangenen Woche zurückgetretene Chef der UNO-Juristenkommission gegen | |
die Straffreiheit in Guatemala (Cicig) lieferte am Montag Beweise gegen den | |
neuen und bereits wieder entlassenen Generalstaatsanwalt Conrado Reyes. | |
Castresana wirft Reyes Verbindungen zu Drogenkartellen und Kinderhändlern | |
vor und hatte deshalb Präsident Álvaro Colom um die Entlassung des | |
Generalstaatsanwalts gebeten. Colom lehnte ab, Castresana warf das Handtuch | |
und löste damit eine Justizkrise aus. | |
Castresanas Arbeit - die Aufklärung spektakulärer Verbrechen und die | |
Unterstützung der Justizbehörden bei der Abwehr der Unterwanderung des | |
Staats durch das organisierte Verbrechen - sei sinnlos geworden, sagte | |
Castresana bei seinem Rücktritt. Die Ernennung des neuen | |
Generalstaatsanwalts sei ein Rückschritt für die Bemühungen, Verbrecher aus | |
Justizbehörden und Sicherheitskräften zu entfernen. Drei Tage später | |
reagierte das Verfassungsgericht und erklärte die Wahl von Reyes für | |
ungültig. Castresana bleibt im Amt, bis die UNO einen Nachfolger ernannt | |
hat. | |
Am Montag unterhielt der scheidende Cicig-Chef in einer Pressekonferenz die | |
Journalisten mit einem Krimi aus an die Wand projizierten Dokumenten und | |
abgehörten Telefonaten. Daraus geht hervor, dass Reyes unter anderem mit | |
zwei Männern in Verbindung steht, die seit Monaten vor den Ermittlern der | |
Cicig auf der Flucht sind: die Pharmaunternehmer Francisco José und Jorge | |
Eduardo Valdés Paiz. Die hatten im Mai vergangenen Jahres eine Killerbande | |
unter Vertrag genommen, um den prominenten Wirtschaftsanwalt Rodrigo | |
Rosenberg zu ermorden. Rosenberg hatte eine Videobotschaft hinterlassen, in | |
der er den sozialdemokratischen Präsidenten Colom und dessen politisch | |
ambitionierte Frau Sandra Torres für den Mord verantwortlich machte. Das | |
Video hatte eine Staatskrise ausgelöst, die ultrarechte Opposition den | |
Rücktritt von Colom verlangt. Die Ermittler der Cicig haben inzwischen | |
geklärt, dass Rosenberg seine eigene Ermordung aus Liebeskummer selbst | |
inszeniert und seinen Tod nebenbei genutzt hat, um dem verhassten | |
Präsidenten eins auszuwischen. | |
Die am Montag von Castresana vorgelegten Beweise zeigen, wie sich die | |
beiden Brüder in den vergangenen Monaten darum bemühten, mit der Hilfe | |
ihrer Kontakte zu finsteren Anwaltskreisen die Wahl des | |
Generalstaatsanwalts zu manipulieren und ihren Mann ins Amt zu bugsieren. | |
Reyes, sagt da einer in einem mitgeschnittenen Telefongespräch, sei "das As | |
im Ärmel", das die Gebrüder Valdés Paiz reinwaschen könne. Und in einer bei | |
einer Durchsuchung beschlagnahmten Notiz steht, man müsse Schwachstellen | |
von Castresana ausbaldowern und ihm "kräftig auf den Schwanz treten". So | |
lancierten drei potente Helfer der Pharmaunternehmer in den Medien eine | |
Schmutzkampagne gegen die Juristenkommission. Zwei dieser Helfer wurden in | |
der vergangenen Woche verhaftet. | |
Reyes war letztlich nur 17 Tage im Amt. Diese Zeit hat er genutzt. So hat | |
er unter anderem das Verfahren gegen den wegen Korruption verhafteten | |
Expräsidenten Alfonso Portillo ausgesetzt und auch das Verfahren um den | |
Rosenberg-Mord steckt seither fest. Von der Cicig ausgebildete Mitarbeiter | |
wurden entlassen und ein Exmilitär wurde zum Sicherheitschef ernannt, der | |
mit Menschenhandel und Raubüberfällen in Verbindung gebracht wird. Das | |
Verfassungsgericht hob nun alle Entscheidungen von Reyes wieder auf. Und | |
die Regierung teilte am Montag mit, drei entlassene Abteilungsleiter der | |
Generalstaatsanwaltschaft, allesamt Vertrauensleute der Cicig, seien wieder | |
eingestellt. | |
16 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Cecibel Romero | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Geldwäsche in Guatemala: Ex-Präsident wird an USA ausgeliefert | |
Der ehemalige Präsident Alfonso Portillo soll 70 Millionen Dollar gewaschen | |
haben, geklaut aus der Staatskasse. Nun beschloss das Verfassungsgericht | |
seine Auslieferung an die USA. | |
Verurteilungen in Guatemala: 40 Jahre Haft für Militär-Schergen | |
Erstmals wurden in Guatemala ehemalige Polizisten verurteilt – auf Basis | |
von lange geheim gehaltenen Akten. Es ist ein Urteil mit weitreichenden | |
Folgen für das Land. | |
Machtkampf in Guatemala: Todesstrafe durch die Hintertür | |
Die rechte Parlamentsmehrheit Guatemalas will Hinrichtungen mit Hilfe eines | |
Gnadenrechts wieder möglich machen. Doch der Präsident weigert sich, das | |
Gesetz zu unterschreiben. | |
Kommentar Guatemala: Guatemala als Pionier | |
Die Uno ist in Guatemala den richtigen Weg gegangen, indem sie die | |
Kommission gegen Straffreiheit eingerichtet hat. | |
Kriminalität in Guatemala: UNO-Verbrecherjäger gibt auf | |
Der Chef der Kommission gegen die Straffreiheit gibt auf. Die drei Gewalten | |
im Staat hätten sich nicht ausreichend gegen Kriminalität in Guatemala | |
gestellt. |