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# taz.de -- Integration: Türken wollen Partei gründen
> Die "Bremische Türk Partei" will offen sein für Migranten und
> Eingeborene. Bildung als zentrales Thema. Verständnis, aber auch Skepsis
> unter Einwanderern.
Bild: Migranten und Eingeborene: Autodach während der Fußball-WM
Bislang gibt es nichts außer der Absichtserklärung, eine Partei gründen zu
wollen. Die "Bremische Türk Partei", kurz BTP, hat keine Homepage, keine
Pressemitteilung, keine eindeutigen Ansprechpersonen. Nach einem ersten
Medienaufruhr bittet der Pressesprecher darum, nicht namentlich genannt zu
werden.
In diesen Tagen will sich die BTP beim Bundeswahlleiter in das
Parteienregister eintragen lassen. Dann soll die Zulassung zur bremischen
Landes- und Kommunalwahl im Mai 2011 beantragt werden. Die BTP wäre die
erste von Migranten gegründete Partei, die in Norddeutschland zu einer
Landtagswahl antritt.
Die Ankündigung fällt mitten in die bundesweite Integrationsdebatte. Eine
Reaktion darauf seien die Pläne zur Gründung der BTP aber nicht, versichert
der Pressesprecher: "Das ist keine Affekthandlung." Die Gründung werde seit
anderthalb Jahren vorbereitet. Allerdings seien die Erfolge der etablierten
Parteien bei der Integrationspolitik überschaubar: "Integrationspolitik ist
dort nicht das Kernthema."
60 türkischstämmige Aktive gehören angeblich zu der Partei in Gründung:
Akademiker, Lehrer, Unternehmer, "Leute, die schon lange in der
Integrationsarbeit aktiv sind". Der Vorsitzende Levent Albayrak ist
Tankstellenbetreiber, sein Stellvertreter, Hüseyin Teker, promovierter
Sozialwissenschafter und Lehrer.
Die Forderungen? Bessere Bildungschancen für MigrantInnen, leichtere
Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland, mehr Unterstützung beim
Spracherwerb. Kinder mit geringen Deutschkenntnissen sollten in der Schule
bilingual unterrichtet werden, bis sie mithalten können. Die BTP wolle
dabei vermitteln. "Es gibt ein beidseitigen Bedarf an Integration, bei
Deutschen und bei Migranten", sagt der Sprecher, "und wir können beide gut
erreichen, weil wir beide Seiten kennen."
MigrantInnen, sagt er, hätten häufig ein Problem mit dem
"Zugehörigkeitsgefühl". Als "gesellschaftliche Einheit" könne man sich so
lange nicht fühlen, "wie einem ausländerfeindlich begegnet wird oder der
eigene Glaube nicht akzeptiert wird". Als religiöse Partei sieht sich die
BTP aber nicht. "Wir sind eine demokratische Partei und agieren auf Basis
des Grundgesetzes", sagt er.
Wie viel Integrationskraft denn eine Partei mit "Türk" im Namen haben kann?
"Wir wollen keine türkische Politik betreiben", sagt der Sprecher. "Wir
sprechen alle MigrantInnen an, ebenso wie alle Deutschen." Man wolle aber
einen Namen, "mit dem sich die Leute identifizieren können". Und beim Thema
Integration gehe es "hauptsächlich um türkische Bürger, weil sie die größte
Migrantengruppe sind".
Mustafa Güngör, türkischstämmiger SPD-Politiker und Gründungsmitglied der
Deutsch-Türkischen Gesellschaft Bremen-Niedersachsen hält die
BTP-Gründungspläne für den falschen Weg. "Politische Beteiligung sollte
sich nicht auf Herkunft begrenzen", sagt er. Das führe zu Trennungen. "Bei
Fragen der Integration können wir eher etwas erreichen, wenn wir sie
gemeinsam angehen." Er verweist auf die "Vorreiterrolle", die Bremen beim
Anteil migrantischer PolitikerInnen habe. Fünf sitzen für Grüne, SPD und
Linke in der Bürgerschaft.
Yasemin Karakasoglu, Professorin für interkulturelle Bildung an der
Universität Bremen, interpretiert die Gründung als Reaktion auf die Schärfe
der laufenden Debatte. Die Botschaft laute: "Wir wollen uns nicht nur von
den anderen vorsagen lassen, wie Integration funktioniert und dass wir
integrationsunwillig seien."
Für Yilmaz Hüsein, den Vorsitzenden der türkischen Gemeinde Hamburgs, hat
die Gründung "nichts mit Parallelgesellschaften zu tun, sondern damit dass
die existierenden Parteien das Thema Integration noch nicht ausreichend
aufgenommen haben". Für Migrantenparteien sieht er keinen Bedarf, wünscht
sich aber mehr politisches Engagement der Einwanderer.
Lars Harms, Landtagsabgeordneter des Südschleswigschen Wählerverbandes
(SSW), der Vertretung der dänischen Minderheit, hält die Parteigründung vor
dem Hintergrund der Integration für genau das Richtige. "Es ist besser,
wenn Interessen offen vertreten werden", findet er.
18 Oct 2010
## AUTOREN
Teresa Havlicek
Gernot Knödler
## TAGS
SPD
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bedauerlich. Aber verständlich.
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