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# taz.de -- Athletik und Artistik: Zweitkarriere im Zirkuszelt
> Bei Turngroßereignissen sind die Talentsucher des kanadischen Cirque du
> Soleil Stammgäste. Von der Kooperation zeigen sich beide Seiten
> begeistert.
Bild: Anders als Barren und Schwebebalken: Cirque du Soleil in Lissabon
Die deutsche Bundestrainerin Ulla Koch würde ihren Turnerinnen sofort
empfehlen, zum Cirque du Soleil zu gehen. "Weil es der schönste Zirkus der
Welt ist", sagt sie und schaut, als sei sie etwas neidisch auf Daria Bijak,
2008 Mitglied der deutschen Olympiariege in Peking. Nach einem Studium in
den USA steht sie nun am Wochenende in einer Show des kanadischen
Event-Zirkus in Las Vegas unter Vertrag.
Bijak ist bei weitem kein Einzelfall: Der Cirque du Soleil findet in den
hervorragend ausgebildeten Turnern ein ideales Reservoir, seine
Talentsucher fehlen bei keiner Weltmeisterschaft, auch bei den aktuell
laufenden Titelkämpfen in Rotterdam sind sie mit dabei. Bruno Grandi,
Präsident des Weltturnverbandes FIG, lobt die Kooperation, nicht zuletzt
sei sie "eine wunderbare Werbung für den Turnsport". So ist nicht
verwunderlich, dass ein Cirque-Logo prominent die FIG-Verbandsseite ziert.
"Wir möchten durch unsere Präsenz zeigen, dass wir den Sport unterstützen
und dass es Optionen für eine Karriere nach dem Turnen gibt", sagt Stacy
Clark. Sie ist für Kunstturnen als Talentscout unterwegs, Kollegen von ihr
kümmern sich um Trampoliner, wieder andere um Rhythmische Sportgymnastinnen
oder Sportakrobaten.
"Die Sportler wollen, solange es geht, ihren Sport ausüben, erst danach
werden wir für sie interessant", sagt Clark. Auf keinen Fall möchte man in
das Licht geraten, Turner abzuwerben. "Meldet sich bei uns ein Turner aus
einem Nationalteam, kontaktieren wir seinen Verband, um seine Situation
dort zu klären."
Clark betont die Transparenz und die Bedeutung der Verbände. Kein Wunder:
Über 50 Prozent der rund 1.600 Cirque-du-Soleil-Artisten kommen aus dem
Leistungssport, die meisten aus dem Kunstturnen. Prominentes Beispiel ist
der Ukrainer Waleri Gontscharow, der bei den Olympischen Spielen 2000 eine
Silbermedaille gewann, zum Cirque du Soleil ging, 2004 zum Turnen
zurückkehrte und Olympiasieger wurde. Anders machte es Olympiaturnerin
Galina Tyryk, ebenfalls aus der Ukraine: Sie beendete ihre Turnkarriere und
ist nun schon seit acht Jahren mit dem Cirque auf Tour.
Die meisten Turnerartisten stammen aus Russland, gefolgt von den USA und
der Ukraine. Um in die Warteliste von Stacy Clark zu kommen, müssen sie ein
Demotape mit Zusammenschnitten von Wettkämpfen einreichen, sich vor der
Kamera präsentieren und tanzen.
Der Cirque sucht keine Olympiasieger, denn in seinen Shows sind die
Artisten nicht als Individuen zu erkennen. "Wir müssen aus einem Athleten
einen Artisten machen", sagt Clark über die Ausbildungszeit in der
kanadischen Zentrale, "das ist nicht immer einfach, der Weltmeister hilft
mir nicht, wenn er das Publikum nicht mag." Die Artistikathleten erhalten
in der Regel Zweijahresverträge, über die Höhe der Gehälter wird keine
Auskunft gegeben.
In Rotterdam zeigen sich andere Synergieeffekte der Kooperation: Die
Offiziellen der FIG machten einen Ausflug nach Amsterdam, wo momentan eine
Show gastiert, übrigens mit dem Finnen Olli Torkkel, der im letzten Jahr
noch Europameisterschaften turnte. Bei der Abschlussfeier der
Turnweltmeisterschaft am Wochenende werden Artisten des Cirque in der
Rotterdamer Turnhalle auftreten. Wer weiß, welcher Athlet dabei noch auf
die Idee kommt, die Turnhalle gegen das Zirkuszelt einzutauschen.
19 Oct 2010
## AUTOREN
Sandra Schmidt
## TAGS
Missbrauch
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