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# taz.de -- Strafvollzug: Startschuss für Privat-Gefängnis
> Die Verträge für das Gefängnis in Bremervörde sind unterzeichnet. Ein
> niederländischer Konzern finanziert es und übernimmt Bau und einen Teil
> des Betriebs. Zu teuer und überflüssig, findet die Opposition.
Bild: Unterzeichnete die Verträge für das teilprivatisierte Gefängnis: Niede…
Niedersachsen wird das erste Bundesland im Norden, in dem ein Unternehmen
teilweise ein Gefängnis betreibt: Justizminister Bernd Busemann (CDU)
unterzeichnete am Mittwoch in Bremervörde die Verträge mit einer
Tochtergesellschaft des niederländischen Baukonzerns Royal BAM Group. Dort
soll bis zum Ende des Jahres 2012 eine Justizvollzugsanstalt (JVA) für bis
zu 300 Gefangene entstehen.
Das Unternehmen finanziert den Bau und unterhält ihn. Landesbedienstete
werden die Insassen bewachen, Mitarbeiter der BAM-Tochter bekochen,
beschäftigen und betreuen sie. "Die neue JVA hier in Bremervörde ist eine
der tragenden Säulen unseres Gesamtkonzepts für den niedersächsischen
Justizvollzug", sagte Busemann. Das Konzept sieht einige große Gefängnisse
statt vieler kleiner vor. Für den Neubau sollen ältere Gefängnisse wie in
Braunschweig, Stade oder Bückeburg geschlossen werden.
Ab dem 1. Januar 2013 sollen in Bremervörde 180 Insassen im geschlossenen
und 30 im offenen Vollzug einsitzen können, zusätzlich gibt es Platz für
Untersuchungshäftlinge. Die laut Busemann "kleinen und mittleren Fische"
werden von 150 Beschäftigten betreut, wobei nur 84 Mitarbeiter des Landes
sind. "Es wird kein Landesbediensteter durch einen Mitarbeiter des privaten
Unternehmens verdrängt", sagte der Justizminister. Alles, was die
Grundrechte betreffe, bleibe im hoheitlichen Bereich. "Den Gefangenen ist
es ohnehin egal, welcher Koch die Suppe kocht - Hauptsache sie schmeckt."
Bei den 64 Angestellten von BAM hat das Land ein Vetorecht und überprüft
sie. Danach absolvieren sie eine sechsmonatige Ausbildung.
Doch die Opposition hat Bedenken. So bezweifelt der Grüne
Landtagsabgeordnete Helge Limburg, dass eine strikte Trennung zwischen
hoheitlichen und privaten Aufgaben gelingen kann. In einem Gefängnis gingen
alle Abteilungen Hand in Hand und es sei wichtig, in allen Bereichen
Arbeitsmöglichkeiten für Gefangene zu haben - auch in der Küche.
Das Land Niedersachsen mietet das Gefängnis 25 Jahre lang für
durchschnittlich 11,5 Millionen Euro pro Jahr, danach geht es in
Landesbesitz über. Die Gesamtkosten betragen so rund 290 Millionen Euro.
"Dieser Bau rechnet sich für das Land", glaubt Busemann. Fünf Prozent
billiger sollen Bau und Betrieb dadurch sein, dass das Privatunternehmen
daran beteiligt ist. Die BAM-Gruppe steuert das Projekt und bringt vier
Banken in die Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP) ein, die das Projekt
mitfinanzieren, darunter die Volksbank Osterholz-Scharmbeck. Auch
Mittelständler sollen sich beteiligen können.
Kritiker aus Opposition und Gewerkschaft halten das für unnötig und zu
teuer. Sie glauben nicht, dass Niedersachsen neue Gefängnisse benötigt und
bezweifeln, dass sich das Projekt rechnet. Sie verweisen auf schlechte
Erfahrungen in Hessen: Dort steht das erste teilprivatisierte Gefängnis in
Deutschland. Es ist teurer als eine konventionell betriebene JVA.
In Niedersachsen sind die Gefängnisse im Schnitt zu 80 Prozent belegt, rund
1.000 Plätze sind frei. Diese Auslastung sei vernünftig, sagt Limburg. Aber
das zeige auch, dass "wir keinen neuen Superknast brauchen". Der Sprecher
der SPD-Landtagsfraktion, Marco Brunotte, sagt: "Hier werden für jeden
Haftplatz eine Million Euro ausgegeben, obwohl klar ist, dass das Land
diese Plätze nicht benötigen wird." Er befürchtet eine "scheibchenweise"
Zunahme der laufenden Kosten. Die Linke wirft der schwarz-gelben Koalition
eine Verschwendung von Steuergeldern für "Prestigeobjekte" vor. Sollte bei
der Landtagswahl 2013 ein Regierungswechsel mit ihrer Beteiligung gelingen,
werde der Bau gestoppt, sagte Fraktionsvize Hans-Henning Adler.
Der Verband der Niedersächsischen Strafvollzugsbediensteten (VNSB) glaubt,
die Landesregierung wolle auf Biegen und Brechen ein ÖPP-Projekt umsetzen.
Die Gewerkschaft mutmaßt, dass die JVA Bremervörde zum Erfolg verurteilt
sei. "Es ist zu befürchten dass dort nur mit Vorzeige-Insassen gearbeitet
wird." Der Neubau und Betrieb einer konventionellen Abteilung für 80
Gefangene wäre angemessen gewesen.
20 Oct 2010
## AUTOREN
Daniel Kummetz
Daniel Kummetz
## TAGS
Gefängnis
Strafvollzug
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