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# taz.de -- Rita Süssmuth über Integration: "Wir sind multikulturell"
> Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) hofft auf eine Zuwanderung
> wie in Kanada. Die Debatte um Integrationsverweigerung sei
> "rückwärtsgewandt".
Bild: Gut in die Landschaft integriert: Info-Zentrum von Cheticamp in Kanada.
taz: Frau Süssmuth, am Freitag wird in Istanbul der Grundstein für die
erste Deutsch-Türkische Universität gelegt, deren Aufbau sie koordinieren.
Wie passt das in die aufgeheizte Integrationsdebatte?
Rita Süssmuth: Von dieser Grundsteinlegung geht das Signal aus, dass
Deutsche und Türken sehr wohl konstruktiv miteinander handeln können. Die
gegenwärtige Diskussion um Integrationsverweigerung ist rückwärtsgewandt
und führt uns nicht in die Zukunft. Man kann nichts Schädlicheres tun, als
bestimmte Migrantengruppen zu diffamieren und für die Zukunft auszugrenzen.
Sie spielen auf Seehofers Äußerungen an, dass Deutschland keine Türken und
Araber mehr brauche. Und wie sehen Sie Merkels Äußerungen, Multikulti sei
gescheitert?
Ich setze dagegen: Wir sind eine multikulturelle Gesellschaft. Nicht nur
nebeneinander, sondern auch miteinander. Das ist mit Chancen, aber auch mit
Problemen verbunden.
Die Stimmung kippt gerade. Wie beeinflusst das die deutsch-türkischen
Beziehungen?
Ich bin froh, dass die türkische Seite so gemäßigt reagiert. Sowohl Türken
als auch Deutsche wissen, dass es noch Integrationsprobleme gibt.
Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass unsere künftigen Eliten auch aus
diesen Migrantengruppen hervorgehen werden.
Hat Deutschland zu wenig für die Integration getan?
Integrationspolitik war 40 Jahre lang gar kein Thema. In dieser Zeit wurde
viel versäumt. Dennoch hat sich seitdem die große Mehrheit in
Eigenanstrengung und mit Hilfe der Zivilgesellschaft bei uns eingelebt und
integriert. Wir hätten Zuwanderung längst qualitativ steuern können. Wir
haben uns bereits vor zehn Jahren in der Zuwanderungskommission darüber
Gedanken gemacht, wie wir qualifizierte Menschen aus dem Ausland holen
können. Doch jetzt müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die am
besten ausgebildeten Migranten, die unser Land jedes Jahr verlassen, an
Deutschland binden können.
Wie kann das passieren?
Zum einen müssen wir ihre Qualifikationen wertschätzen, indem wir sie
entsprechend ihrer Ausbildung in die Berufswelt einordnen. Noch viel
wichtiger ist jedoch eine Wertschätzung ihrer Kultur. Zurzeit wird die
Mehrheit der Muslime mit jenem politisierten Islam gleichgesetzt, der von
der großen Mehrheit der Muslime abgelehnt wird.
Wie sehen Sie die Chancen, dass Ihre Vorschläge aus der
Zuwanderungskommission von 2001 doch noch umgesetzt werden?
Mich erinnern die Debatten an die Zeit vor zehn Jahren. Auch heute wird auf
die Forderung nach Zuwanderung mit den gleichen Abwehrmechanismen reagiert.
Aber der demografische Wandel ist viel sichtbarer. Deutschland schafft sich
nicht ab, aber wir müssen uns stärker darum kümmern, die jungen Menschen im
Land zu qualifizieren. Gleichzeitig brauchen wir nach wie vor eine
gesteuerte Zuwanderung nach Berufsqualifikation, Sprachkenntnissen und
Beziehung zu unserem Land. Da bildet das Punktesystem Kanadas eine gute
Grundlage.
Ist Ihre Partei reif dafür?
Ich hoffe, mehr als damals. Sonst würden wir die Zukunft verspielen.
21 Oct 2010
## AUTOREN
Anna Lehmann
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