| # taz.de -- Bilanz ein Jahr Schwarz-Gelb: Mit dem Kopf durch die AKW-Außenhül… | |
| > Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken will die Bundesregierung die | |
| > AKW-Laufzeiten verlängern. Das provoziert den Protest nicht nur von | |
| > Umweltschützern. | |
| Bild: Deutliches Zeichen an die Regierung: Atommüll vor dem Reichstag. | |
| BERLIN taz | Plötzlich war das Messingschild "Bundesministerium für Umwelt, | |
| Naturschutz und Reaktorsicherheit" am Eingang Alexanderstraße 3, Berlin, | |
| weg. Jetzt stand da "Bundesministerium für Atomkraft und | |
| Konzerninteressen". An der Fassade hing ein Transparent, gleiche | |
| Aufschrift. | |
| Das war in der letzten Woche. Greenpeace-Aktivisten hatten den Dienstsitz | |
| von CDU-Minister Norbert Röttgen geentert. Doch der Widerstand gegen die | |
| Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken geht nicht nur von den Üblichen | |
| aus. Auch Wirtschaftsleute und Politiker aus den eigenen Reihen meutern. | |
| In den letzten Monaten ist klar geworden, dass die Regierung mit ihrer | |
| atomfreundlichen Politik einen kleinen Club bedient: Die vier Konzerne Eon, | |
| RWE, Vattenfall und EnBW erwarten schon bei nur moderat steigenden | |
| Strompreisen Zusatzgewinne von 94 Milliarden Euro. Derweil fürchten andere | |
| um ihr Geschäft. Stadtwerke rechnen mit Milliardenverlusten. | |
| Politik für AKW-Betreiber | |
| Viele von ihnen haben im Vertrauen darauf, dass spätestens 2023 die letzten | |
| Reaktoren vom Netz gehen, in Ökoenergien investiert. Der Atomausstieg ist | |
| längst nicht mehr nur ein rot-grünes Projekt - und die Rückabwicklung | |
| heikel. | |
| "Atomdeal", "Günstlingswirtschaft", "Geheimverträge" - die Worte, die zur | |
| schwarz-gelben Energiepolitik gehören, taugen nicht als Werbung. Sie hängen | |
| vor allem mit einem Montag Anfang September zusammen. | |
| 5.23 Uhr, Morgengrauen - Regierungsvertreter und Atommanager schließen | |
| einen Zusatzvertrag, der den Konzernen mehrere Schutzklauseln sichert und | |
| nicht durch das Gesetzgebungsverfahren soll. Bekannt wird diese zusätzliche | |
| Vereinbarung nur, weil sich ein RWE-Vorstand verplappert. Das schürt | |
| Misstrauen. | |
| Die Regierung bringt jedoch nichts ab von ihrem Plan, mit dem Deutschlands | |
| Energieversorgung "umweltverträglich, verlässlich und bezahlbar" werden | |
| soll. Von einer "Revolution" spricht Angela Merkel, "weltweit einmalig" | |
| schwärmt Röttgen. Nach Lage der Dinge wird der Bundestag an diesem | |
| Donnerstag dem Vorhaben zustimmen. | |
| Tatsächlich verspricht die Koalition auch Windanlagen auf dem Meer, | |
| Stromautobahnen und Gebäudedämmung. Doch von einem radikalen Umbau kann | |
| keine Rede sein: 30 Jahre lang soll noch Atomstrom fließen. | |
| Wissenschaftlich begründen lässt sich das nicht. Nicht einmal mit dem | |
| regierungseigenen Gutachten. Und Umweltbundesamt sowie der | |
| Sachverständigenrat für Umweltfragen warnten gar davor. Wahrscheinlich wird | |
| der Ausbau der Ökoenergien zwar nicht gleich gestoppt, der komplette | |
| Umstieg aber enorm verzögert - sofern die Regierung ihr Atomgesetz wie | |
| geplant durchsetzt. | |
| Daran zweifelt mancher in den Unionsreihen. Bundestagspräsident Norbert | |
| Lammert warnt vor dem "verfassungsrechtlichen Risiko". Da Schwarz-Gelb die | |
| Mehrheit im Bundesrat fehlt, tut die Regierung alles, um diesen zu umgehen. | |
| Ob das rechtens ist, wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen. | |
| Das kann dauern. Bis dahin gibt es womöglich schon die nächsten Wahl. | |
| 25 Oct 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Gersmann | |
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