# taz.de -- Kleinkinder-Fotos im Internet: Digitale Frühgeburt | |
> Kaum geboren, schon online: Mehr als zwei Drittel aller Eltern posten | |
> Fotos ihrer Babys im Internet - ein riskanter Trend. | |
Bild: Wie Erwachsene darauf reagieren werden, dass Babyfotos von ihnen im Netz … | |
BERLIN taz | Anna Welmann*, 30, sitzt am Esstisch ihrer Wohnung in | |
Berlin-Prenzlauer Berg, während sie ihr vier Monate altes Baby stillt. | |
Wenige Wochen nach der Geburt der kleinen Sarah stellte die junge Mutter | |
ein Foto ihres Kindes auf ihr Facebook-Profil, so dass Freunde und | |
Verwandte sie sehen konnten. „Der soziale Druck war einfach zu stark, alle | |
Freunde haben nachgefragt,“ begründet Anna Welmann. | |
Wer Facebook oder andere Netzwerke benutzt, kennt dieses Phänomen: Die | |
meisten westlichen Eltern, die mit dem Internet vertraut sind, | |
veröffentlichen dort Fotos ihrer Kinder. Dabei sind die Konsequenzen noch | |
vollkommen unbekannt. | |
Eine Studie der Internet-Sicherheitsfirma AVG bestätigt diesen Trend: 81 | |
Prozent der Kinder – in Deutschland sind es mit 71 Prozent etwas weniger - | |
unter zwei Jahren haben schon eine digitale Spur im Netz. Befragt wurden | |
2200 Mütter in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, | |
den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Japan. Fast ein Viertel der | |
Befragten haben sogar bereits während der Schwangerschaft ein Bild der | |
Ultraschalluntersuchung online gestellt. | |
Die Umfrage zeigt auch, dass die Mütter sich keine großen Sorgen um die | |
Folgen der Fotos machen. Als Grund für diese Veröffentlichungen geben mehr | |
als 70 Prozent an, sie wollen mit Verwandten und Freunde ihre Freude über | |
den Nachwuchs teilen. Dabei geben 18 Prozent zu, sie hätten Fotos | |
hochgeladen, weil es andere auch tun. | |
Stephan Humer, Forschungsleiter für Internetsoziologie an der Universität | |
der Künste in Berlin, hält diesen Gruppendruck für gefährlich. „Es ist | |
historisch gesehen eine völlig neue Situation,“ sagt er. | |
Die 22-jährige Rita Kirche und der 24-jährige Johannes Weber aus Darmstadt, | |
die vor kurzem ihr erstes Kind bekommen haben, sind noch einen Schritt | |
weiter gegangen. Sie haben ihrem Sohn nach nur zwei Wochen gleich ein | |
eigenes Facebook-Profil eingerichtet. Nur fünf Prozent der Befragten der | |
Studie hielten das für angebracht. Für Kirche und Weber war es die | |
praktischste Lösung, weil sie ihre eigenen Profile nicht mit Baby-Fotos | |
füllen wollten. Beide kommen aus Österreich und halten per Internet engen | |
Kontakt mit ihren Familien. | |
„Manche Freunde hielten das für Wahnsinn“, erinnert sich Johannes Weber, | |
der am Anfang ebenfalls skeptisch war. Vor allem die Frage der | |
Nutzungsrechte ist für das Paar bedenklich. „Mein Alptraum-Szenario wäre, | |
dass Facebook sich auflöst und alle Daten werden lizenzlos freigegeben oder | |
verkauft“, spekuliert er. | |
Einen kommerziellen Missbrauch befürchtet auch Forscher Humer. Zudem warnt | |
er, Pädophile könnten die Fotos sammeln. „Viele Leute sind zu leichtfertig, | |
sie können und wollen sich nicht in diese lange Geschäftsbedingungen | |
einarbeiten“, sagt er. Als Experte rät er Familien davon ab, die Daten | |
ihrer Kinder im Internet zu veröffentlichen. „Wenn sie erstmal online | |
stehen, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man sie nicht mehr | |
zurückholen kann“, warnt Humer. Soziale Netzwerke wie Facebook hätten | |
Zugriff auf die eigenen Daten und könnten sie entsprechend einsetzen, zum | |
Beispiel zu Werbezwecken. Anna Welmann war sich dessen nicht bewusst, als | |
sie das Foto ihrer Tochter auf Facebook stellte. | |
*Alle Namen der Eltern wurden geändert. | |
27 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Marlene Goetz | |
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