# taz.de -- Gefahr des Terrorismus: Minister alarmiert Bevölkerung | |
> Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnt zum ersten Mal vor | |
> möglichen Anschlägen und rät den Bürgern: "Melden Sie alles Verdächtige | |
> der Polizei". | |
Bild: "Wachsam sein": Innenminister de Maizière vor einer Woche auf dem Flugha… | |
BERLIN taz | "Minister für Entwarnung" haben sie Bundesinnenminister Thomas | |
de Maizière genannt. Denn anders als sein Vorgänger Wolfgang Schäuble | |
(beide CDU) hatte er sich dafür entschieden, nicht ständig vor etwaigen | |
Terroranschlägen zu warnen. Er versuche "Sorgen eher zu relativieren, als | |
hervorzurufen", sagte er zu seinem Amtsantritt. | |
Selbst als vor fünf Wochen die USA in einem Reisehinweis vor möglichen | |
Anschlägen in Europa warnten und darauf die Briten die Terrorgefahr in | |
Frankreich und Deutschland als hoch einschätzten, blieb de Maizière bei | |
seiner Haltung: "Für Alarmismus besteht kein Anlass." | |
Vorbei. Nach dem Fund zweier Paketbomben aus dem Jemen sagt der | |
Innenminister in einem Interview mit der Bild am Sonntag nun: "Die | |
Ereignisse sind für mich Anlass, meine Sorgen erstmals öffentlich zu | |
machen." Er bitte die Bevölkerung, "in ihrem Umfeld wachsam zu sein und | |
alles, was ihr verdächtig erscheint, der Polizei zu melden". Denn es gebe | |
"ernst zu nehmende Hinweise auf Anschläge in Europa und den USA". | |
Zu de Maizières Schwenk haben nicht nur die in Dubai und England | |
abgefangenen Sprengstoffpakete aus dem Jemen beigetragen, von denen eines | |
auf dem Flughafen Köln/Bonn umgeladen und von den deutschen Behörden | |
zunächst fälschlich als Fehlalarm eingeschätzt wurde, wie der Innenminister | |
inzwischen einräumte. In Sicherheitskreisen war darüber hinaus schon seit | |
Wochen ein verstärktes "Grundrauschen" festzustellen - nun ist die Rede von | |
Hinweisen auf gleich drei Anschlagsszenarien in Europa und womöglich auch | |
in Deutschland. | |
- Erstens haben zwei Terrorverdächtige aus einer Gruppe Hamburger | |
Islamisten Ermittlern von einem angeblichen Rekrutierungsversuch durch | |
einen hochrangigen Al-Qaida-Kader in Pakistan berichtet. Ahmad Wali S., | |
der, wie die taz aufgedeckt hatte, seit mehreren Monaten von den USA in | |
Afghanistan festgehalten wird, erzählte dort deutschen Beamten von einem | |
Treffen mit einem Scheich Younis al-Mauretani. Der soll versucht haben, S. | |
und M. für einen Anschlag zu gewinnen, der das Finanz- und | |
Wirtschaftssystem in den USA oder Europa trifft. Rami M., der seit Ende | |
August im hessischen Weiterstadt in Untersuchungshaft sitzt, soll | |
Ermittlern in etwa dasselbe berichtet haben. Es gibt allerdings auch | |
Stimmen, die an der Glaubwürdigkeit der beiden zweifeln. | |
- Zweitens ist die Rede davon, dass eine Gruppe von bis zu 25 Personen in | |
absehbarer Zeit in Europa ein ähnliches Szenario wie die Angriffe im | |
indischen Mumbai planen könnte, wo im November 2008 Terroristen Hotels | |
stürmten und mehr als 160 Menschen starben. | |
- Drittens soll es Hinweise auf fünf "Schläferzellen" in Deutschland geben, | |
die an Rhein und Isar bereitstünden, wie es in Sicherheitskreisen hieß. | |
Wie zuverlässig diese Hinweise und wie realistisch folglich die | |
Anschlagsszenarien sind, lässt sich schwer einschätzen. Die Quellen bleiben | |
ominös. Das Bundeskriminalamt hat eine "Besondere Aufbauorganisation" | |
eingerichtet, die sich um die verschiedenen Stränge kümmert. "Wir haben | |
keine konkrete Spur", sagte Innenminister de Maizière am Sonntag. | |
Am Montag reist de Maizière nun nach Brüssel zu einem Treffen der | |
EU-Innenminister. Dort will er im Nachklapp zu den Paketfunden aus dem | |
Jemen seinen Amtskollegen einen 5-Punkte-Plan vorschlagen. Darin wimmelt es | |
von Wörtern wie "Sicherheit", "Sofortmaßnahmen", "Gefahrenabwehr", "Raster" | |
und "Überprüfung". | |
Ein Jahr nach seinem Amtsantritt ist Thomas de Maizière ein anderer | |
Minister. | |
7 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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