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# taz.de -- Gedenken an Christoph Schlingensief: Ende einer Epoche
> Die Volksbühne Berlin hat sich noch einmal vor Christoph Schlingensief
> verneigt und verabschiedet - mit einer ungewöhnlich fröhlichen
> Gedenkfeier.
Bild: Prägte die Volksbühne Berlin auf seine Art: Christoph Schlingensief.
Der Geist von Christoph Schlingensief treibt die Theaterwelt um. Die
Oktobernummern der Zeitschriften Theater heute und Theater der Zeit waren
dem im August gestorbenen Regisseur gewidmet, Elfriede Jelinek, Bazon
Brock, Oskar Roehler, Bernhard Schütz, Matthias Lilienthal und Carl
Hegemann schrieben über den Verlust und die Zäsur, die sein Tod für das
Theater bedeutet.
Am Samstag lud die Volksbühne Berlin zum "Gedenken 3000 - Für Christoph
Schlingensief" ein, und in der gleichen Nacht starteten das nebenan
gelegene Kino Babylon und die Filmgalerie 451 ein Programm, das bis 16.
Januar jeden Tag einen seiner Filme zeigt.
Filme von ihm und mit ihm liefen auch überall in der Volksbühne, auf
Monitoren und Leinwänden, im großen Saal, unter der Bühne, im Roten Salon,
von Musik, von Lesungen und Gesprächen begleitet. Christoph Schlingensief
als Tier- und Pornofilmer, als Jury für den Lilo Wanders Filmpreis, auf
Expeditionen in die Politik und nach Afrika. Man sah ihn mit großem
Orchester im Urwald von Manaus und, von vielen Schauspielern umgeben, auf
den Straßen von Berlin.
Es gab so viel zu sehen, und was man kannte, verwob sich mit noch
Unbekanntem, ein gigantischer Fundus von Material. Drehbücher wurden
vorgelesen und Anträge auf Filmförderung samt den ablehnenden Antworten.
Thomas Meinecke und Michaela Melián sangen Lieder seiner ehemaligen Band.
Seine Schauspieler, seine Techniker, seine Kollegen waren da.
Es war eine ungewöhnlich fröhliche Gedenkfeier, wuselnd wie eine Party,
angenehm chaotisch, lebendig. Einige erinnerte dieses Fest daran, wie die
Volksbühne gewesen war in den 90er Jahren, als Matthias Lilienthal
Schlingensief an dieses Theater geholt hatte, die beste Zeit des Hauses.
Ja, auch um die wurde getrauert, auch ihr galt dieser Abend des Abschieds,
als hätte Schlingensiefs Tod das Ende einer Ära des Aufbruchs besiegelt.
Auf der Leinwand im großen Saal flackerten und verlöschten die Bilder, die
Projektion lief immer wieder aus in blendendes Nichts, blendendes Weiß, man
hörte wieder die Stimme des Kranken, der seine Krebsdiagnose vorträgt. Auf
den vielen Monitoren in den Gängen aber liefern die Bilder weiter, mitten
zwischen den Trinkenden und Essenden, Telefonierenden und mit lautem Hallo
lange nicht mehr gesehene Freunde Begrüßenden. Wie das eben so ist auf
Trauerfeiern: Da, wo einer fehlt, rücken die anderen für einen kurzen
Moment noch einmal zusammen.
8 Nov 2010
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
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