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# taz.de -- Kongress zu Mikroversicherungen: Kleine Policen, großes Geschäft
> Mikroversicherungen sollen arme Menschen in Afrika und Asien absichern.
> Aber auch deutschen Konzernen die Kassen füllen. Am Dienstag beginnt ein
> Kongress in Manila.
Bild: Vielleicht bald Allianz-versichert: Augenärztliche Untersuchung in Indie…
taz | Ein Mädchen verliert seinen Vater durch einen Autounfall. Trotzdem
muss es nicht von Almosen leben und kann später eine Ausbildung zur
Lehrerin finanzieren - dank einer Mikroversicherung von Tata-AIG.
Die Geschichte ist frei erfunden. Doch das Drama füllt ein schrilles
Bollywood-Video, und damit wirbt der indisch-amerikanische
Versicherungskonzern Tata-AIG auf dem ganzen Subkontinent um Kunden mit
kleinstem Einkommen.
Mikroversicherungen für arme Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern
sind der jüngste Ausläufer der globalen Mikrofinanzbewegung, die in den
siebziger Jahren mit Kleinstkrediten von umgerechnet ein paar Euro an
Frauen in Bangladesh begann. Lange nach Krediten und Sparprodukten treten
nun Minipolicen auf den Plan: Für kleines Geld können sich Arme gegen große
individuelle Risiken wie Unfall, Krankheit oder Diebstahl finanziell
absichern.
Schwerer kalkulierbar sind für Versicherungsmathematiker kollektive Risiken
wie Sturmkatastrophen oder Ernteausfälle durch Starkregen. Doch auch hierzu
gibt es schon Mikroprodukte zu kaufen. Die Marktlücke erscheint riesig:
Erst 2, 3 Prozent der vier Milliarden Menschen, die von weniger als 2 Euro
am Tag leben, haben bislang Zugang zu Mikroversicherungen.
Das soll sich ändern. "Noch vor zehn Jahren sah kaum ein
Versicherungsunternehmen in den Niedrigeinkommenssegmenten einen
profitablen Absatzmarkt", sagt Susan Steiner vom Deutschen Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW). Mittlerweile böten führende Assekuranzkonzerne
Miniverträge in zahlreichen Ländern an.
Der Konzernkritiker, Afrikakenner und entwicklungspolitische Experte der
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Jörg Goldberg, lobt
Mikroversicherungen als "abstrakt sehr wichtige Geschichte". Sie könnten
beispielsweise Kleinbauern und kleinen Selbständigen am Existenzminimum
"Kontinuität" im Geschäftsleben sichern. Die ganz Armen würden damit
allerdings nicht erreicht, sondern die Mittelschicht.
Allianz-versichert geht in Indien ab einer Prämie von 35 Rupien (etwa 60
Cent) pro Woche. Über eine Laufzeit von fünf Jahren erhalten Kunden im
Falle eines Unfalltodes 565 Euro ausbezahlt. Für ihren Vertrieb in Afrika
und Asien nutzt die deutsche Allianz Akteure vor Ort. In Indien ist dies
neben anderen die landesweite Bewegung der Milchkooperativen.
Mittlerweile gibt die Allianz die Zahl ihrer Mikrokunden in Indien,
Indonesien, Ägypten und Kamerun mit 3,8 Millionen an. Die Expansion läuft
jedoch nicht so flott wie ursprünglich geplant. Schon das Konzept einer
Versicherung ist den meisten potenziellen Kunden unbekannt. Es muss also
erst einmal grundlegend über Sinn und Zweck einer Police aufgeklärt werden.
Deshalb wirbt AIG zusammen mit dem heimischen Mischkonzern Tata um indische
Kunden.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
sieht jedoch Deutschland als globalen Vorreiter. So engagieren sich im
globalen Minimarkt neben der Allianz und dem Ministerium von Dirk Niebel
(FDP) auch noch die staatliche KfW-Bank und unter anderem in Kolumbien die
Münchner Rückversicherung.
Bei der Allianz ist man von der wirtschaftlichen Machbarkeit überzeugt.
Michael Anthony, Leiter Mikroversicherung, erwartet einen doppelten
"Mehrwert": Minipolicen böten einen messbaren sozialen Nutzen und sind "für
uns wirtschaftlich rentabel". Damit rechnet auch DIW-Forscherin Steiner.
"Aus Sicht der Versicherungsunternehmen stellen Mikroversicherungen ein
milliardenschweres Potenzial riesiger unerschöpfter Märkte dar."
9 Nov 2010
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
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