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# taz.de -- Castortransport nach Russland: Billige Lösung am Ural
> Die Kritik am geplanten Castortransport nach Russland nimmt zu. Das
> Bundesumweltministerium kündigt eine genaue Prüfung an. NRW kann nur
> verzögern.
Bild: Blick auf die Baustelle des Atommüll-Endlagers in Mayak.
Nach scharfer, auch internationaler Kritik geht die Bundesregierung
offenbar vorsichtig auf Distanz zum geplanten Transport von
hochradioaktivem Atommüll in die russische Atomanlage Majak. "Wir werden
erst dann eine Entscheidung fällen, wenn wir alle Fragen der Sicherheit des
Standorts Majak genau geprüft haben", erklärte eine Sprecherin von
Bundesumweltminister Norbert Röttgen. "Dazu wird sich das Ministerium vor
Ort ein Bild von den Verhältnissen machen." Wer diese Reise unternimmt und
wann sie stattfindet, dazu gab es am Donnerstag auf taz-Anfrage keine
Antwort.
Damit stellt sich das Umweltministerium gegen das Wirtschaftsministerium,
das die Sicherheitsfragen bereits für geklärt hält. Die Bundesregierung
habe sich "nach sorgfältiger Überprüfung […] zu diesem Schritt
entschlossen", hatte Staatssekretär Hans-Joachim Otto Ende September im
Bundestag erklärt. Sicherheitsprobleme in der umstrittenen Anlage bestritt
er. "Nachdem es vor Jahrzehnten dort einige Probleme gegeben hat, die ich
nicht leugnen möchte, entsprechen die Sicherheitsstandards dieser Anlage
heute den internationalen Anforderungen", hatte der Staatssekretär des
Wirtschaftsministeriums gesagt. Auch Umweltminister Röttgen hatte den
Müllexport in einem Schreiben an die Grünen-Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl
noch Anfang Oktober begrüßt.
Der Streit dreht sich um 951 bestrahlte Brennelemente aus dem ehemaligen
DDR-Forschungsreaktor Rossendorf. Sie gehören dem Land Sachsen und stehen
derzeit im Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus. Der Transport
nach Russland soll auf Grundlage eines Vertrags zwischen den USA, Russland
und der Internationalen Atomenergiebehörde aus dem Jahr 2004 erfolgen.
Darin ist geregelt, dass Brennelemente, die ursprünglich aus den USA und
Russland stammen, in diese Länder zurückgeliefert werden dürfen. Allerdings
sieht der Vertrag vor, dass dies bis Ende 2010 geschehen sein muss.
"Zumindest der erste der drei geplanten Transporte muss noch in diesem Jahr
stattfinden", sagte Udo Helwig, Geschäftsführer des für den Rossendorfer
Atommüll zuständigen Vereins für Kernverfahrenstechnik und Analytik (VKTA),
der taz. Wenn das Umweltministerium nun auf einer Sicherheitsüberprüfung
vor Ort besteht, könnte dieser Zeitplan gefährdet sein.
Für Verwunderung sorgen unterdessen die offiziellen Begründungen für den
umstrittenen Export. Die Bundesregierung argumentiert, durch die
Wiederaufbereitung werde die Verbreitung von spaltbarem Material
verhindert. Dies halten die Grünen für "verlogen", denn die
Sicherheitsanforderungen seien in Deutschland höher als in Russland. In
Wahrheit gehe es darum, Kosten zu sparen, kritisierte die atompolitische
Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl.
Zudem war die Genehmigung für Zwischenlagerung des Mülls in Ahaus
ursprünglich "als Vorstufe zur direkten Endlagerung" erteilt worden. Nun
werde der Export damit begründet, dass auf absehbare Zeit in Deutschland
kein Endlager zur Verfügung stehe. "Das lässt darauf schließen, dass auch
in Regierungskreisen erhebliche Zweifel an der Eignung von Gorleben
bestehen", sagt Kotting-Uhl.
Abgelehnt werden die Castortransporte nach Russland auch von der
nordrhein-westfälischen Landesregierung. Allerdings sieht die rot-grüne
Minderheitskoalition von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kaum eine
Möglichkeit, den Atommüllexport zu verhindern: Nach einem "wahren
Klagemarathon" sei der Rechtsweg versperrt, eine juristische
Auseinandersetzung sinnlos, glaubt der atompolitische Sprecher der grünen
Landtagsfraktion, Hans-Christian Markert. Schon 2004 hatte das
Oberverwaltungsgericht das Land bezüglich des sächsischen Atommülls für
nicht klageberechtigt erklärt.
Entscheidend verzögert werden könnten die Transporte aber durch den Mangel
an einsatzfähigen Polizisten. Die Beamten gelten nach den vergangenen
Protesten im Wendland als überlastet, haben tausende Überstunden
aufgehäuft. Markert warnt außerdem vor einer zu hohen Strahlenbelastung:
"Die meisten Polizisten haben ihre Jahresdosis schon erreicht."
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger prüfe "ernsthaft", ob den
Polizeieinheiten, die bei den Transporten aus Ahaus einen Großteil der
Kräfte stellen müssten, weitere Einsätze zuzumuten seien, ist deshalb aus
Düsseldorf zu hören. Notfalls müssten die Transporte so lange verschoben
werden.
Atomkraftgegnern in NRW reicht das nicht. "Auch wenn es uns schwerfällt:
Zurzeit gibt es keine andere Lösung, als den Atommüll weiter in Ahaus zu
lagern", sagt Heiner Möllers, Sprecher der Bürgerinitiative Kein Atommüll
in Ahaus. Rot-Grün müsse deshalb nicht nur in Berlin, sondern auch in
Düsseldorf aktiven Widerstand gegen die Pläne des Bundeskabinetts leisten.
Die Ahauser Initiative fordert deshalb ein Moratorium für alle
Atommülltransporte in NRW. Um den Druck auf die Politik zu erhöhen, rufen
die nordrhein-westfälischen Atomkraftgegner deshalb die Anti-Atom-Bewegung
zu konzentriertem Widerstand auf: Die Proteste beginnen am 21. November mit
einer ersten Demonstration vor dem Zwischenlager Ahaus.
11 Nov 2010
## AUTOREN
M. Kreutzfeldt
A. Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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