# taz.de -- Russische Aktivistin über Castoren aus Ahaus: "Man will im großen… | |
> Im Umkreis der Atomfabrik Majak nimmt die radioaktive Verseuchung zu. | |
> Umweltschützerin Natalja Mironowa fürchtet: Der geplante Castor-Transport | |
> aus Ahaus macht es noch schlimmer. | |
Bild: Ab nach Russland damit: Castoren mit abgebrannten Brennstäben aus dem DD… | |
taz: Frau Mironowa, Sie haben gemeinsam mit anderen Umweltschützern Angela | |
Merkel, Präsident Medwedjew und Präsident Obama aufgefordert, den geplanten | |
Atommülltransport nach Russland zu verbieten. Warum? | |
Natalja Mironowa: Wir haben schon genug Atommüll. 65 Jahre lang ist es | |
immer wieder in der Fabrik Majak zu schweren Unfällen gekommen, in deren | |
Folge zigtausend Quadratkilometer verseucht worden sind. Die flüssigen und | |
gasförmigen Abfälle gelangen in die Umwelt direkt vor unserer Haustür. Der | |
radioaktive Müll wird in die Seen Karatschai, Staroje Boloto und den Fluss | |
Tetscha geleitet. Die Tetscha transportiert den Müll weiter in den Ob und | |
bis in das nördliche Eismeer. | |
Wer unterstützt den Protest? | |
Das Schreiben, das inzwischen von 50 Organisationen unterzeichnet worden | |
ist, stammt von Umweltgruppen aus St. Petersburg, Murmansk und | |
Tscheljabinsk. Denn auch die Hafenstädte St. Petersburg und Murmansk werden | |
vom Transport direkt betroffen sein. | |
Wie leben die Menschen im Gebiet Tscheljabinsk? | |
Viele müssen in verstrahlten Regionen leben, nehmen radioaktiv verseuchte | |
Lebensmittel zu sich. In der Folge steigt die Erkrankungsrate an. | |
Gleichzeitig fehlt das Geld, diese Erkrankungen zu behandeln. Und da die | |
Menschen in verstrahlten Gebieten häufig krank sind, sind auch ihre | |
Einkünfte niedrig. Wer in einem verstrahlen Gebiet lebt, hat in der | |
Gesellschaft einen niedrigen Status. 2008 haben die Neuerkrankungen an | |
Krebs bei Kindern um 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Auch | |
Missbildungen bei Neugeborenen haben deutlich zugenommen. | |
18 Castoren mit Atommüll, der aus dem früheren DDR-Forschungsreaktor | |
Rossendorf stammt, sollen demnächst nach Majak kommen. Könnte angesichts | |
der Proteste in Deutschland und bei Ihnen dieser Transport der letzte nach | |
Russland sein? | |
Das glaube ich leider nicht. Ich denke, die Vereinbarung, Atommüll aus | |
Deutschland nach Russland zu schicken, ist vielmehr ein erster | |
Versuchsballon. Dem russischen Parlament liegt ein Gesetzentwurf der | |
Regierung und der Atomenergiebehörde Rosatom zum Umgang mit Atommüll vor. | |
Wenn dieser angenommen wird, darf man Atommüll einfach unter die Erde | |
kippen. | |
Was steckt dahinter? | |
Mit diesem Gesetz will man ganz offen einem Import von Atommüll aus dem | |
Ausland im großen Stil juristisch den Boden bereiten. Rosatom will | |
Geschäfte machen. Das Problem mit abgebrannten Brennstoffen ist nirgends | |
auf der Welt gelöst. Das heißt, es gibt große Mengen Atommüll, mit dem sich | |
Geschäfte machen lässt. | |
Wird das Gesetz kommen? | |
Am nächsten Mittwoch findet im Parlament die zweite Lesung statt. Und | |
derzeit sieht es so aus, als würde der Entwurf des Atommüllgesetzes bald | |
Gesetz sein. | |
Und Deutschland könnte der Nutznießer sein? | |
Die deutsche Regierung und die deutsche Wissenschaft haben ihren Nutzen vom | |
Betrieb des Forschungsreaktors gehabt. Deswegen ist es doch nur | |
folgerichtig, dass sie auch die Verantwortung für diesen Müll übernehmen. | |
Was ist zu tun? | |
Als Erstes ist Majak zu schließen. Bei einer gerichtlichen Anhörung 1998 | |
haben sogar offizielle Majak-Vertreter gesagt, dass es nur eine Möglichkeit | |
gebe, die Verseuchung der Umwelt zu beenden, nämlich durch die Schließung | |
des Werkes. Mit seinem geplanten Atomtransport leistet Deutschland den | |
Menschen und der Umwelt im Gebiet Tscheljabinsk einen Bärendienst. Zweitens | |
muss den Opfern geholfen werden. Hier würden wir uns sehr über Hilfe aus | |
Deutschland freuen. Doch euren Atommüll wollen wir nicht. | |
12 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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