Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozess in Den Haag gegen Bemba: Ein äußerst fragwürdiges Verfah…
> Der Prozess gegen Kongos Ex-Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba vor dem
> Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag steht politisch und
> juristisch auf schwachen Füßen.
Bild: Jean-Pierre Bemba vor dem internationalen Strafgerichtshof, fotografiert …
Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag beginnt am
Montagnachmittag der bisher höchstkarätige Prozess in der kurzen Geschichte
des IStGH. Jean-Pierre Bemba, der frühere Vizepräsident der Demokratischen
Republik Kongo, muss sich wegen Kriegsverbrechen verantworten, die die
Soldaten der einst von ihm geführten Rebellenarmee MLC (Kongolesische
Befreiungsarmee) in der Zentralafrikanischen Republik begangen haben
sollen.
Die Verwicklung zweier Länder und der Status des Angeklagten dürften dafür
sorgen, dass dieses Verfahren den IStGH vor eine harte Probe stellt, zumal
die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung seit einem neuen Gerichtsbeschluss
vom Freitag erneut infrage steht.
Bemba hatte zwischen Oktober 2002 und Januar 2003 auf Bitten des
Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Ange Félix Patassé,
Einheiten in die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui entsandt, die direkt
an der Grenze zum damaligen MLC-Gebiet im Nordkongo liegt. Patassé war
unter Bedrängnis einer Revolte seines Armeechefs François Bozizé geraten
und brauchte mangels Soldaten auswärtige Hilfe.
Das Eingreifen Bembas sowie Libyens rettete Patassé vorerst; die
MLC-Einheiten, in Bangui als "Banyamulenge" tituliert, sollen aber
verbreitete Plünderungen und Vergewaltigungen begangen haben, wie schon
damals berichtet wurde. Langfristig half das Patassé sowieso nichts: Im
März 2003 eroberte Bozizé Bangui und ergriff die Macht, die er bis heute
hält.
Während Patassé aber mittlerweile in der Zentralafrikanischen Republik
amnestiert ist und zu den Präsidentschaftswahlen 2011 gegen Amtsinhaber
Bozizé antreten will, sitzt sein Helfer Bemba in Den Haag in Haft. Nicht
nur dies hat bei Bembas nach wie vor zahlreichen Anhängern im Kongo Zweifel
an der Neutralität des Gerichtshofs genährt.
Der MLC-Führer, der noch 2006 bei der Stichwahl um Kongos Präsidentschaft
42 Prozent gegen Wahlsieger Joseph Kabila geholt hatte und danach ins Exil
ging, wurde im Mai 2008 just zu dem Zeitpunkt in Brüssel verhaftet, als er
sich anschickte, als parlamentarischer Oppositionsführer nach Kinshasa
zurückzukehren. Der Zeitpunkt der Verhaftung rettete also vor allem Kabila
vor der Rückkehr seines gefährlichsten politischen Gegners. Nicht wenige
vermuten, dass Bembas Ausschaltung der Preis ist, den der IStGH zahlt,
damit er ansonsten frei in der Demokratischen Republik Kongo arbeiten kann.
Die Anklage gegen Bemba steht nicht nur politisch, sondern auch juristisch
auf schwachen Füßen. Während es im bisher einzigen laufenden IStGH-Prozess
in Den Haag gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga allein um
den leicht zu belegenden und nicht besonders schwerwiegenden Vorwurf der
Rekrutierung von Kindersoldaten geht, dreht sich im Falle Bembas alles um
seine Vorgesetztenverantwortlichkeit für Kriegsverbrechen, die seine
Soldaten begangen haben sollen.
Dieser Vorwurf schließt ein, dass Bemba, selbst wenn er diese Verbrechen
nicht selbst oder direkt anordnete, von Kriegsverbrechen gewusst haben muss
und diese auch hätte verhindern können. Dies dürfte schwer nachzuweisen
sein, zumal Bemba ja 2002-2003 seine Soldaten in Bangui unter das Kommando
des zentralafrikanischen Präsidenten Patassé gestellt hatte.
2009 war die Anklage gegen Bemba deswegen bereits abgeschwächt worden, und
im August 2009 hatte der Gerichtshof sogar Bembas Freilassung unter
Auflagen verfügt. Weil sich kein Land fand, das ihn aufnehmen wollte, und
eine Rückkehr nach Kongo außer Frage stand, wurde die Freisetzung
schließlich außer Kraft gesetzt und ein Einspruch Bembas dagegen am 28.
Juli 2010 abgelehnt.
Aber just am vergangenen Freitag kassierte Den Haag wegen Formfehlern
seinen eigenen Beschluss und ordnete eine erneute Überprüfung der möglichen
Freilassung Bembas an. Wie unter diesen Umständen der Prozess gegen ihn
überhaupt möglich ist, ließ das IStGH offen. Es ist wahrscheinlich, dass
dieses Problem und nicht die Anklage selbst den Prozessbeginn dominiert.
21 Nov 2010
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Internationaler Strafgerichtshof
Internationaler Strafgerichtshof
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bemba-Urteil beim ICC: Der Krieg um Bangui
Worum es bei Jean-Pierre Bembas Einsatz in der Zentralafrikanischen
Republik 2002-03 ging.
Prozess gegen Ex-Vize des Kongo: Anwälte verhaftet
Der Internationale Strafgerichtshof greift zu ungewöhnlichen Mitteln. Er
verhaftet den Chefverteidiger des angeklagten Kongolesen Bemba.
Reaktionen auf die Verurteilung Lubangas: „Man hat uns alle verurteilt“
Für seine Angehörigen und ehemaligen Kindersoldaten ist Thomas Lubanga ein
Held. Seine Verurteilung in Den Haag wegen Kriegsverbrechen verstehen sie
nicht.
1. Urteil des Internationalen Strafgerichtshof: Schuldspruch liefert Stoff für…
Der ehemalige kongolesische Milizenchef Lubanga ist schuldig gesprochen,
Kinder als Soldaten rekrutiert zu haben. Das Gericht kritisierte
Chefankläger Moreno-Ocampo scharf.
Verfassungsänderungen im Kongo: Kabila sichert sich nächsten Wahlsieg
Das Parlament in Kinshasa hat Verfassungsänderungen gebilligt, die die
Stichwahl um das Präsidentenamt abschaffen. Bei Protesten an der
Universität gab es Tote.
Kriegsverbrecherprozess gegen Bemba: Geteiltes Echo in Bangui
Der Kriegsverbrecherprozess gegen den Kongolesen Jean-Pierre Bemba in Den
Haag wird am Tatort mit Spannung verfolgt - und mit Kritik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.