# taz.de -- Studie über Energienetz: Wer Öko will, braucht neue Leitungen | |
> Für den Umstieg auf Ökostrom sind bis 2020 rund 3.600 Kilometer neue | |
> Trassen nötig - für 10 Milliarden Euro. Alternativen sind möglich, kosten | |
> aber mehr. | |
Bild: Immer ungeliebt, manchmal unverzichtbar: Hochspannungsmasten. | |
Um das deutsche Stromnetz zukunftsfähig zu machen, sind | |
Milliardeninvestitionen in neue Leitungen nötig - nur so können immer | |
höhere Anteile an Ökostrom, insbesondere Windkraft, aufgenommen sowie der | |
vorhandene Kraftwerkspark wirtschaftlich genutzt und der europäische | |
Stromhandel abgewickelt werden. | |
Das ist das Ergebnis der umfangreichen Netzstudie der Deutschen | |
Energieagentur (Dena), die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. | |
Gesellschafter der Dena sind der Staat sowie staatliche und private Banken | |
und Versicherungen. An der Netzstudie haben Bundesministerien, | |
Stromkonzerne, Industrieunternehmen und Energieverbände mitgearbeitet. | |
Umweltverbände kritisierten die Studie. | |
"Deutschland setzt zu Recht auf erneuerbare Energien", so | |
Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler. "Aber der Ausbau der Erneuerbaren | |
stellt das Energiesystem auch vor große Herausforderungen." So müsse der | |
Windstrom von Anlagen in Nord- und Ostsee sowie aus Ostdeutschland in die | |
dicht besiedelten und wirtschaftsstarken Regionen im Süden und Westen | |
Deutschland gebracht werden. | |
Zudem müssten konventionelle Kraftwerke so modernisiert werden, dass sie | |
sich mit den Erneuerbaren ergänzen können. Auch die Verbraucher in | |
Industrie und Haushalt müssten umdenken - und ihren Energiekonsum dem | |
Angebot anpassen. Kohler: "Im Haushalt kann das heißen, dass die | |
Waschmaschine dann läuft, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint." Auch | |
die Metereologen werden wichtiger. Denn je genauer Wind- und | |
Sonnenscheinvorhersagen sind, umso leichter lassen sich Stromangebot und | |
-nachfrage in Einklang bringen - was wiederum den notwendigen Netzausbau | |
reduziert. | |
Der hat es laut Dena in sich. Bei der Verwendung von etablierter | |
380-Kilovolt-Freileitungstechnik müssten bis zum Jahr 2020 rund 3.600 | |
Kilometer Höchstspannungstrassen gebaut werden - gegen die es in | |
betroffenen Regionen Widerstand gibt. Die Kosten dafür betrügen insgesamt | |
9,7 Milliarden Euro. Weniger Neubau wäre laut Dena nötig, wenn | |
Hochtemperaturleitseile eingesetzt würden: Bei dieser Variante müssten | |
1.700 Kilometer neu gebaut und 5.700 Kilometer bestehende Leitungen | |
umgerüstet werden. Das würde 17 Milliarden Euro kosten. Zudem wären | |
Übertragungsverluste und Betriebskosten dabei deutlich höher. Eine weitere | |
Variante mit Einsatz von Gleichstrom-Erdkabeln wäre mit bis zu 29 | |
Milliarden Euro noch teurer. | |
Der Umweltverband BUND warnte vor einer Stimmungsmache gegen | |
Bürgerinitiativen, die sich gegen neue Stromautobahnen wehren. Die | |
Dena-Szenarien beruhten auf fragwürdigen Annahmen, hieß es. "Der Bedarf | |
neuer Stromleitungen wird durch AKW-Laufzeitverlängerungen, neue | |
Kohlekraftwerke und die Ausweitung des internationalen Stromhandels | |
deutlich erhöht", hieß es. Dem widersprach Kohler. Die | |
AKW-Laufzeitverlängerungen spielten keine entscheidende Rolle für den | |
notwendigen Netzausbau, da nun weniger neue Kohlekraftwerke ans Netz gingen | |
als bislang angenommen. | |
Der Naturschutzverband Nabu forderte einen Vorrang von Mensch und Natur | |
beim Netzausbau, der auf das notwendige Minimum reduziert werden sollte. | |
"Neue Stromleitungen gehören überall dort unter die Erde, wo Mensch und | |
Natur durch Freileitungen unzumutbar beeinträchtigt werden." | |
23 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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