# taz.de -- Rekord-Geothermie-Kraftwerk: Ökostrom aus 4.000 Meter Tiefe | |
> In Oberbayern beginnen am morgigen Freitag die Bauarbeiten für das größte | |
> Erdwärmekraftwerk der Republik. Das Problem: Geothermie ist teuer. | |
Bild: Geothermie-Kraftwerk in Landau. | |
FREIBURG taz | Am Freitag startet die Bohrung: Im oberbayerischen | |
Kirchweidach beginnen die Bauarbeiten für das größte deutsche | |
Geothermiekraftwerk. Zwei Bohrungen sollen bis in eine Tiefe von 4.000 | |
Meter abgeteuft werden, um aus der dortigen Schicht von Malmkalken Wasser | |
mit 130 Grad Celsius an die Oberfläche zu fördern. Mittels eines | |
Dampfprozesses soll das heiße Wasser anschließend zur Stromerzeugung | |
genutzt werden. | |
Die elektrische Leistung des Kraftwerks kalkulieren die Projektplaner mit 7 | |
bis 8 Megawatt. Somit ergibt sich eine Jahresproduktion von rund 60 | |
Millionen Kilowattstunden, ausreichend für fast 20.000 | |
Durchschnittshaushalte. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in ganz | |
Deutschland gerade 19 Millionen Kilowattstunden aus Geothermie erzeugt. | |
Anders als etwa in Unterhaching, wo die Gemeinde vor einigen Jahren schon | |
ein Erdwärmekraftwerk gebaut hat, oder auch in Landau, wo die | |
regionalansässigen kommunalen Energieversorger EnergieSüdwest und | |
Pfalzwerke tätig sind, ist das Projekt Kirchweidach privat finanziert. | |
Größter Gesellschafter der Projektgesellschaft Geoenergie Kirchweidach GmbH | |
ist die Geoenergie Bayern GmbH; dahinter wiederum steht der Finanzinvestor | |
G-Finanz Ltd. aus London. | |
Bis Ende Mai 2011 sollen die beiden Bohrungen niedergebracht werden. Im | |
April 2011 beginnt der Bau der oberirdischen Anlagen. Ende 2012 soll das | |
Kraftwerk in Betrieb gehen. | |
Die Nutzung der Restwärme als Heizenergie ist zwar angedacht, konkrete | |
Pläne gibt es aber nicht. Das liegt auch daran, dass ohnehin nur ein | |
Bruchteil der Wärme nutzbar ist: Von 60 Megawatt an Wärmeleistung, die aus | |
dem Erdboden gepumpt werden, gibt es nur für wenige Prozent in der Umgebung | |
potenzielle Abnehmer. Das Projekt wird primär Kraftwerk bleiben und kein | |
Heizkraftwerk werden. | |
Erdbebenrisiko? | |
Während in Basel ein Geothermieprojekt gestoppt wurde, weil es leichte | |
Erdbeben ausgelöst hatte und auch in Landau Erdbewegungen auftraten, ist in | |
Kirchweidach mit seismischen Aktivitäten nicht zu rechnen. Das liegt an der | |
Geologie. Landau und Basel liegen im Oberrheingraben, einer Erdbebenzone. | |
Das süddeutsche Molassebecken mit Unterhaching oder auch Kirchweidach ist | |
hingegen eine tektonisch ruhige Zone. | |
Das Projekt rechnet sich für die Investoren aufgrund des | |
Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG), das für Strom aus Erdwärme zum | |
Beispiel eine Vergütung von bis zu 27 Cent pro Kilowattstunde festlegt. Das | |
Problem: Die Fördersätze sind umstritten. Für Solarstrom zum Beispiel sind | |
sie erst in diesem Jahr stark gesenkt worden, weil Solarstrom in der | |
Produktion immer billiger wurde. Mit großen Fotovoltaikanlagen ist die | |
Kilowattstunde heute mitunter günstiger zu erzeugen als mit Erdwärme. So | |
werden schon im Jahr 2012, wenn das Kraftwerk Kirchweidach ans Netz geht, | |
große Solarstromanlagen auf Dächern Strom für weniger als 20 Cent pro | |
Kilowattstunde produzieren. Im Jahr darauf wird man bereits unter 18 Cent | |
liegen. Und anders als die Fotovoltaik, die seit Jahren Szenarien zu | |
Preissenkung präsentiert und stets mehr als erfüllten, bleibt die | |
Geothermiebranche in diesem Punkt wortkarg: Auf Preisspekulationen lasse | |
man sich nicht ein, sagte auf der letzten Jahrestagung der Branche in | |
Bochum ein Verbandsvertreter. Heißt: Ob Erdwärmestrom jemals billiger wird, | |
wissen wir auch nicht. | |
18 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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