# taz.de -- Volksabstimmung in der Schweiz: Rechte Angstmache erneut erfolgreich | |
> 53 Prozent der Stimmbürger haben für eine schnellere Ausweisung | |
> straffälliger Ausländer votiert. Die bürgerlichen Parteien machen die | |
> Sozialdemokraten für das Ergebnis verantwortlich. | |
Bild: So denkt er, der Stimmbürger auf dem Land: Wer betrügt, wird belohnt, w… | |
ZÜRICH rtr/taz | Ein Jahr nach dem Bauverbot für Minarette haben die | |
Schweizer am Sonntag in einer Volksabstimmung schärfere Regelungen für die | |
Ausweisung straffälliger Ausländer beschlossen. Nach dem Endergebnis | |
stimmten 52,9 Prozent der Wähler einer von der rechtskonservativen | |
Schweizerischen Volkspartei (SVP) vorgeschlagenen Verfassungsänderung zu, | |
wie das Schweizer Fernsehen berichtet. Diese sieht die automatische | |
Ausweisung von Ausländern vor, wenn sie wegen bestimmter Straftaten | |
verurteilt wurden. Die Liste der Delikte umfasst nicht nur Vergehen wie | |
Mord, Vergewaltigung und Einbruch, sondern auch Sozialhilfebetrug. | |
Lediglich 47 Prozent erreichte in der Hochrechnung der moderatere | |
Gegenvorschlag der Regierung. Dieser lief ebenfalls auf eine Verschärfung | |
hinaus, verzichtete aber auf einen Automatismus. Maßgebend für eine | |
Ausweisung sollte die Schwere einer Tat sein, und die Behörden sollten die | |
Umstände des Einzelfalles stärker berücksichtigen. | |
Anhand des Abstimmungsergebnisses wurde erneut der "Röstigraben" erkennbar, | |
der sich zwischen dem deutsch- und den französischsprachigen Teil des | |
Landes auftut. So stimmte die Mehrheit der "welschen" Kantone gegen die | |
schärferen Regelungen für die Ausweisung von Nicht-Schweizern. Die | |
deutschsprachigen Kantone votierten mit überwältigender Mehrheit dafür - | |
bis auf den Kanton Basel-Stadt. Letzterer steht auch stellvertretend für | |
die Schweizer Großstädte, in denen die SVP-Initiative geringeren Anklang | |
fand als in den ländlichen Gebieten der Schweiz. | |
Nach Ansicht der Berner Regierung verstößt eine automatische Ausweisung | |
gegen Verträge mit der EU und gegen die Europäische | |
Menschenrechtskonvention, da etwa das Alter eines Täters oder die | |
Menschenrechtslage in dessen Heimatland nicht berücksichtigt werden. | |
Allerdings hatten linke Parteien inklusive der Sozialdemokraten vor der | |
Volksabstimmung zu einem Nein gegen beide Vorlagen aufgerufen, weshalb sie | |
sich nach dem Ergebnis scharfer Kritik aus dem bürgerlichen Lager | |
ausgesetzt sahen. Die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder | |
bezeichnete die Sozialdemokraten im Schweizer Fernsehen als «Mithelferin» | |
der rechtspopulistischen Ausschaffungsinitiative. | |
Die SVP hatte für ihre Vorlage an das Heimatgefühl und Ängste bei Wählern | |
appelliert. Ein Plakat zeigte ein weißes Schaf, das einen schwarzen | |
Artgenossen von der Schweizer Nationalfahne kickt. | |
Der GFS-Hochrechnung zufolge lehnte dafür eine Mehrheit von rund 60 Prozent | |
eine Steuererhöhung für Reiche in Schweizer Steueroasen ab. Die von den | |
Sozialdemokraten (SP) eingereichte "Steuergerechtigkeits-Initiative" sah | |
landesweite einheitliche Mindeststeuern für Einkommen über 250.000 Franken | |
(190.000 Euro) und Vermögen über zwei Millionen Franken vor. Das hätte in | |
Niedrigsteuer-Kantonen wie Zug, Schwyz oder Nidwalden Steuererhöhungen für | |
Reiche notwendig gemacht. | |
In der Schweiz liegt die Einkommensteuer-Hoheit bei den Kantonen und | |
Gemeinden, die sich zum Teil einen Wettbewerb um die niedrigsten Steuern | |
liefern. Die Wirtschaftsverbände waren gegen die SP-Initiative Sturm | |
gelaufen und bekannte Unternehmer hatten mit Wegzug gedroht. In Nidwalden | |
lehnten 80 Prozent der Wähler die Vorlage ab. Gegner der Initiative hatten | |
erklärt, eine Annahme werde aus steuersystematischen Gründen auch höhere | |
Steuern für den Mittelstand nach sich ziehen. | |
28 Nov 2010 | |
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