# taz.de -- "Weltwoche"-Chef Köppel gegen Ausländer: Der Biedermann und Brand… | |
> Die Schweizer entscheiden am Sonntag, ob kriminelle Ausländer leichter | |
> abgeschoben werden können. Unterstützt wird der Vorstoß von der | |
> "Weltwoche" und ihrem Chef Roger Köppel. | |
Bild: Roger Köppel, unumschränkter Herr der Zeitschrift "Weltwoche". | |
Da steht er auf dem Kleinen Matterhorn und spricht über seine Liebe zur | |
Schweiz. Roger Köppel trägt in der TV-Dokumentation Funktionsjacke, | |
Sonnenbrille und die Haare im Wind. Und sagt: Das Entscheidende an einem | |
Gespräch sei, "dass man die andere Person provoziert". | |
Provokation: ein Schlüsselwort. Wer Roger Köppel, Chefredakteur und | |
Verleger der Züricher Weltwoche, verstehen will, muss erkennen, dass der | |
Mann sich als ein allein kämpfender Degenfechter des Geistigen sieht, der | |
die gegnerische Übermacht immer wieder reizt, immer wieder angreift. Und | |
seit einem Jahr läuft Köppel in seiner Disziplin zur Höchstform auf. | |
An einem Sonntag vor einem Jahr hatte die rechtspopulistische | |
Volksinitiative "Gegen den Bau von Minaretten" in der Schweiz Erfolg. Es | |
war ein Schock, auch für die Deutschen, für die das Nachbarland oft nicht | |
mehr war als ein Heidi-Idyll. Seitdem tingelt Köppel durch deutsche | |
Talkshows, verteidigt Thilo Sarrazin und polemisiert wie dieser mit | |
Statistiken gegen Muslime. Deutschen Journalisten, die kritisch über das | |
Minarettverbot schrieben, unterstellt der 45-Jährige ein | |
"Reitpeitschen-Menschenbild". Dabei schaut er aus, als würde er Schokolade | |
genießen. Zu köstlich die Aufregung der Linken. | |
Am Sonntag entscheiden die Schweizer über eine raschere Abschiebung | |
krimineller Ausländer. Köppels Weltwoche unterstützt diese | |
"Ausschaffungsinitiative" der rechtskonservativen Schweizer Volkspartei. So | |
war auf auf einem Oktober-Titel "Kriminelle Ausländer - Milde Richter | |
verhindern die Ausschaffung selbst bei schweren Straftaten" zu lesen. | |
Einige Seiten weiter kommt ein Autor zu der Erkenntnis: "Die Zuwanderung | |
belastet die Schweizer Armee", und die Soldaten mit Migrationshintergrund | |
seien "oft Möchtegernrambos, denen die Armee keine Waffe geben will". | |
Im September wurde auf der Titelseite gefragt: "Kluge Deutsche, dumme | |
Muslime? Eine Leistungsbilanz der Ausländer in der Schweiz". | |
Köppel ist groß gewachsen, sehr schlank und trotz seiner 45 Jahre hat sich | |
etwas Lausbubenhaftes in seinem Gesicht erhalten. Seine Worte unterstreicht | |
er mit vielen Gesten - Ausholen, Kopfnicken. | |
Der studierte Philosoph begann seine Karriere als Sportredakteur bei der | |
Neuen Zürcher Zeitung, ab 2001 war er zum ersten Mal Chefredakteur der | |
Weltwoche. 2004 folgte ein kurzes Deutschland-Intermezzo, denn Köppel ging | |
als Chefredakteur zu Springers Welt. Ende 2006 folgte die Rückkehr zur | |
Weltwoche, die er dabei gleich kaufte. Politisch agiert Köppel seither so | |
hart wie nie zuvor. Mit 40 Mitarbeitern und einer Auflage von 81.000 | |
Exemplaren pro Woche präsentiert er wöchentlich oft nationalistisches | |
Gedankengut. | |
Dabei wurde die Weltwoche 1933 als antifaschistische Zeitung gegründet, das | |
Blatt war lange eine Bastion des linksliberalen Qualitätsjournalismus. Für | |
Köppel kein glücklicher Zustand: "Für mich war die Weltwoche da angelangt, | |
wo sie nie hätte anlangen dürfen, nämlich im linksliberalen Mainstream." | |
Deswegen stellt sein Blatt den Koran in eine Reihe mit Hitlers "Mein | |
Kampf", erklärt, warum der "Islam eine gefährliche Religion ist", und warnt | |
vor einer "schleichenden Selbstabschaffung" Europas. Es ist sein Stil, die | |
maximale Provokation zu verkaufen - jede Woche für umgerechnet 4,40 Euro. | |
Einer, der 2002 das Magazin aus Protest verließ, war der | |
Wissenschaftsredakteur Marcel Hänggi. Anlass sei der Artikel "1 Million pro | |
Flüchtling" gewesen. In diesem seien die Kosten ausgerechnet worden, die | |
ein einzelner Flüchtling der Schweiz verursache. "Abgesehen von dem | |
fragwürdigen Inhalt war die Rechnung offensichtlich falsch", sagt Hänggi. | |
Diese sei von Köppel damals hochgepusht worden. "Er setzte den Leuten die | |
fixe Idee ins Hirn, sie seien Opfer eigener Denkverbote, gegen die sie | |
anzukämpfen hätten", sagt Hänggi weiter. "Das ist das Grundmuster von neuen | |
Rechten wie Köppel, Wilders oder Sarrazin: mit emanzipatorischer Rhetorik | |
antiemanzipatorische Inhalte propagieren." | |
Als Köppel die Weltwoche kaufte, steckte er sein Erspartes hinein und nahm | |
Kredite auf. Finanziell sei er dabei von Christoph Blocher, dem | |
langjährigen SVP-Chef, unterstützt worden, heißt es in unwidersprochenen | |
Medienberichten. Die meisten, mit denen man über Köppel redet, halten das | |
ebenfalls für wahrscheinlich. Der macht jedenfalls keinen Hehl daraus, ein | |
Anhänger Blochers zu sein. Vor der Nationalratswahl 2003 gab Köppel eine | |
Wahlempfehlung für ihn ab, danach wurde Blocher tatsächlich gewählt. Ist | |
Köppel also eher Politiker als Journalist? | |
Er sei beides, sagt der Journalist Fredy Gsteiger, der eine unautorisierte | |
Blocher-Biografie schrieb. "Und in der Öffentlichkeit wird die Weltwoche | |
mittlerweile als Parteiblatt der SVP wahrgenommen." | |
"Köppel ist der offiziöse Sprecher der SVP", sagt einer, der lange Zeit mit | |
ihm zusammengearbeitet hat, aber anonym bleiben will. Überhaupt: Wer sich | |
auf Köppels Spuren begibt, findet viele Gesprächspartner, die sich über ihn | |
aufregen. Allerdings wollen sie ihren Namen meist nicht in der Zeitung | |
lesen. Stefan Barmettler hingegen findet die Kritik an Köppel völlig | |
überzogen. "Er hat viele gute Ideen, ist kreativ und hat dem Magazin ein | |
klares Profil vermittelt", sagt der stellvertretende Chefredakteur des | |
Schweizer Wirtschaftsmagazins Bilanz, der Köppel seit langen kennt. Der | |
habe Themen wie Sozialmissbrauch, Ausländer-Integration oder den Islam | |
thematisiert und damit nationale Debatten ausgelöst. "Lieber ein bunter | |
Vogel als hundert graue Mäuse", findet Barmettler und vermutet, dass viele | |
Kritiker von Neid oder einer politischen Agenda getrieben sind. In einem | |
sind sich Freund und Feind einig: Köppel umgebe sich möglichst nur mit | |
Getreuen. | |
Der Blattmacher selbst sieht sich "als eine intellektuelle Müllabfuhr, die | |
den Schutt wegräumen muss, damit man die Dinge wieder klar sieht". Kritiken | |
lächelt er weg. Nur bei einer Frage verliert er die Fassung. Ob seine | |
Provokationen nicht sehr vorhersehbar seien? "Was meinen Sie, was der | |
nächste Titel wird", fragt er unwirsch zurück. | |
Und tatsächlich ist die aktuelle Ausgabe eine Überraschung, denn es geht | |
nicht um Muslime. Auf dem Cover lächelt ein schwarzer Mann mit Käppi zur | |
Titelzeile: "Schwarze in der Schweiz. Die dunkle Seite der Zuwanderung aus | |
Afrika". | |
27 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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