# taz.de -- Proteste in Irland gegen Sparpaket: "Massenvernichtungswaffen" aus … | |
> Die Iren demonstrieren gegen das Sparpaket ihrer Regierung und schimpfen | |
> auf die "edlen Verbündeten" in Europa. Und ihre Abgeordneten wählen sie | |
> ab. | |
Bild: "Ihr könnt euch nicht verstecken": Die Iren sind wütend auf die Banker. | |
DUBLIN taz | Das war erst der Auftakt. Nach der Demonstration am Samstag in | |
Dublin, mit der rund 100.000 Irinnen und Iren gegen die Sparpläne der | |
Regierung protestierten, kündigten die Gewerkschaften weitere Aktionen bis | |
hin zu Massenstreiks an. Diesmal ging es noch relativ friedlich zu, | |
lediglich 300 Demonstranten zogen nach der Kundgebung zum Parlament weiter. | |
Die maskierten Demonstranten warfen mit Flaschen, Feuerwerkskörpern und | |
Eiern auf die Polizisten und verbrannten Plakate. Ein Mann wurde | |
festgenommen. | |
Die offizielle Abschlusskundgebung fand vor dem Hauptpostamt in der | |
OConnell Street statt, wo die Rebellen des Osteraufstands 1916 ihre | |
Unabhängigkeitserklärung verlesen hatten. Die Rebellen sprachen von der | |
erhofften Hilfe durch "unsere edlen Verbündeten in Europa", sagte der | |
Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbands, David Begg. "Unsere edlen | |
Verbündeten in Europa sind 95 Jahre zu spät gekommen. Sie sind nicht | |
eingeladen worden, und anstelle von Waffen für die Revolution haben sie | |
ökonomische Massenvernichtungswaffen mitgebracht." | |
Begg zog Parallelen zum Vertrag von Versailles nach dem Ersten Weltkrieg | |
und sagte, niemand könne ernsthaft glauben, dass sich Irland das | |
85-Milliarden-Euro-Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds | |
(IWF), das am Sonntagabend beschlossen werden sollte, leisten könne. Jack | |
OConnor von der Dienstleistungsgewerkschaft SIPTU sagte, nicht die Iren, | |
sondern "die Leute an den Spitzen der Banken in Frankreich und Deutschland" | |
würden durch das Paket gerettet. Bei einer Umfrage im Auftrag des Sunday | |
Independent sagten 57 Prozent der Befragten, die Regierung solle die | |
Rückzahlung der Staatsschulden aussetzen. | |
Der Vierjahresplan sieht Einsparungen in Höhe von 15 Milliarden Euro vor. | |
Damit soll das Defizit, das derzeit bei 32 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts liegt, auf drei Prozent gesenkt werden. Die Zeche | |
sollen die unteren Einkommensschichten und die Arbeitslosen zahlen. Der | |
Sozialetat wird um 15 Prozent, der Mindestlohn um einen Euro gekürzt. | |
Banken und Reiche bleiben weitgehend verschont. Laut Regierungsplan muss | |
jemand, der 40.000 Euro im Jahr verdient, genauso viel Extrasteuern zahlen | |
wie jemand, der 300.000 Euro verdient. | |
Allein im nächsten Jahr sollen durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen | |
sechs Milliarden Euro gespart werden. Erst wenn der Haushalt für 2011, über | |
den das Parlament am 7. Dezember abstimmen will, unter Dach und Fach ist, | |
will Premierminister Brian Cowen Neuwahlen ansetzen. | |
Ob das Parlament das Budget absegnet, ist keineswegs sicher. Die | |
Regierungspartei Fianna Fáil hat bei einer Nachwahl am Donnerstag einen | |
weiteren Sitz verloren, sodass die Koalition mit den Grünen nur noch eine | |
Mehrheit von zwei Abgeordneten hat. Sie ist jetzt mehr denn je auf die | |
beiden parteilosen Abgeordneten Jackie Healy-Rae und Michael Lowry | |
angewiesen, die jedoch ihre Ablehnung des Haushaltsplans angekündigt haben. | |
Bisher hatte Fianna Fáil die beiden durch finanzielle Zuwendungen an ihre | |
Wahlkreise auf ihre Seite bringen können, doch in Anbetracht der sicheren | |
Abwahl der Regierung im Februar funktioniert das nicht mehr. | |
Die Nachwahl war notwendig geworden, nachdem der Fianna-Fáil-Abgeordnete | |
Pat Gallagher ins Europaparlament gewählt worden war. Die Regierungspartei | |
versuchte 17 Monate lang, die Nachwahl zu verhindern, weil sie wusste, dass | |
sie in ihrer bisherigen Hochburg keine Chance hatte. Erst als ein Gericht | |
nach Klage des Sinn-Féin-Kandidaten Pearse Doherty sie dazu zwang, | |
veranlasste die Regierung die Wahl. Doherty gewann das Mandat mit | |
deutlichem Vorsprung, der Stimmanteil des Fianna-Fáil-Kandidaten hingegen | |
sank von 51 auf 21 Prozent. | |
Sinn Féin, die Partei der inzwischen mehr oder weniger aufgelösten | |
Irisch-Republikanischen Armee (IRA), verfügt nun über fünf Sitze. Um eine | |
Fraktion zu bilden, sind allerdings sieben Abgeordnete notwendig. Sinn Féin | |
verhandelt deshalb mit zwei parteilosen linken Abgeordneten. Kommt das | |
Bündnis zustande, könnte Sinn Féin noch in dieser Woche einen | |
Misstrauensantrag gegen Cowen im Parlament einbringen. | |
28 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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