# taz.de -- Klimaforum in Cancún: Drinnen gegen draußen | |
> Auf dem Klimagipfel in Cancún sind kaum Aktivisten aus Europa. Nach dem | |
> Desaster von Kopenhagen scheint der Frust groß zu sein. | |
Bild: Die Umweltorganisationen sollen mehr Druck ausüben in Cancún. | |
CANCÚN taz | Enrique Paredes ist draußen. "Es geht nicht, dass die drin an | |
den Verhandlungstischen so weitermachen wie bisher", sagt der 24-Jährige. | |
Paredes hält nicht mehr viel von den UN-Klimakonferenzen. Weil das Thema | |
aber wichtig für ihn ist, kam der Student aus Mexiko-Stadt zur | |
Alternativveranstaltung nach Cancún – dem Klimaforum 2010. | |
Sandra Bulling dagegen ist drinnen. "Wer Entwicklungsprojekte – etwa in | |
Afrika – anschiebt, kommt heute gar nicht mehr umhin, sich in die | |
Klimaproblematik einzuklinken", sagt die Frau von der US-amerikanischen | |
Hilfsorganisation Care. Mit ihren Spezialisten ist sie hier auf dem | |
Verhandlungsparkett, "um den Diplomaten klarzumachen, was ihre | |
Entscheidungen für die Arbeit vor Ort bedeuten". | |
Drinnen auf die Diplomaten einreden und draußen demonstrieren - das sind | |
die zwei Seiten der Klimabewegung, die in Cancún besonders deutlich zu | |
sehen sind. Miguel Valencia, Mitglied des Organisationskomitees des | |
Klimaforums, kritisiert die großen NGOs wie Oxfam und Greenpeace: Sie | |
würden die Regierungen innerhalb des Konferenzzentrums nicht stark genug | |
unter Druck setzen. "Die Radikalen sind wir!", sagt Valencia. | |
Zweigleisig wurde die Klimabewegung 2008 im polnischen Poznan. Hier brach | |
auf, was sich auf Bali im Jahr zuvor bereits angedeutet hatte: Der Unmut | |
über den diplomatisch zähen Prozess führte zu Protesten außerhalb der | |
Konferenzzentren. In Poznan formierte sich ein alternatives Klimaforum, das | |
sich dann in Kopenhagen mit eigenem Tagungszentrum als Gegengipfel zum | |
UN-Gipfel etablierte. | |
Vorbild war Berlin, bereits 1995 gab es dort ein alternatives Klimaforum. | |
Zudem waren neben den 869 Staatsvertretern auch 1.056 "Beobachter" | |
akkreditiert, zumeist Spezialisten für Umweltfragen, Wissenschaftler und | |
Entwicklungsorganisationen. Im Jahr 1997 in Kyoto nahmen bereits 3.865 | |
Beobachter teil. Jetzt buhlten auch Lobbyisten aus der Wirtschaft zusammen | |
mit NGOs wie Greenpeace um Einfluss. | |
Den vorläufigen Höhepunkt der Gegenbewegung bildete im April dieses Jahres | |
der alternative Klimagipfel im bolivianischen Cochabamba. Dort | |
verabschiedeten NGOs aus aller Welt einen eigenen Klimavertrag: Das | |
"Abkommen der Völker" stellte auch die Politik der einladenden | |
Staatenführer Evo Morales und Hugo Chávez an den Pranger. | |
Doch vor allem in Mitteleuropa hat die Klimabewegung nach dem Desaster von | |
Kopenhagen einen Knacks bekommen. "Die Erwartung, Kopenhagen werde ein | |
Sprungbrett, hat sich leider nicht bewahrheitet", urteilt Klimaaktivist und | |
Attac-Vertreter Alexis Passadakis. Es hätte vor dem aktuellen Gipfel bis | |
auf einige Aktionen bei den Vorverhandlungen schlicht "kein großes | |
Interesse" gegeben, den Kampf gegen die UN-Klimagipfel nach Kopenhagen | |
weiterzuführen. | |
Tadzio Müller, Sprecher des Bündnisses Climate Justice Action, widerspricht | |
dem ein bisschen: "Für mich gehört Castor schottern zum Kampf für | |
Klimagerechtigkeit dazu!" Aber auch Müller gesteht geringes Interesse von | |
Aktivisten aus Deutschland ein. | |
Anders in Lateinamerika: Gustavo Ampugnani von Greenpeace Mexiko spricht | |
von einem riesigen Interesse, obwohl es Umweltorganisationen in Mexiko erst | |
seit rund 20 Jahren gebe. Die Klimabewegung habe sich wesentlich | |
differenzierter entwickelt als in Mitteleuropa; es gebe auch viele lokale | |
Initiativen. In Cancún kann man das gut beobachten. | |
Tatsächlich protestieren neben dem Klimaforum auch noch die Kleinbauern von | |
Via Campesina in ihrem eigenen Camp. Besonders wütend sind die Bauern über | |
den expansiven Anbau von Energiepflanzen für Biokraftstoffe. Und darüber, | |
dass der freie Markt die Treibhausgase reduzieren soll - etwa über den | |
Emissionshandel. | |
Vom Klimaforum hat sich zudem der Diálogo Climático abgespalten: Macht drei | |
verschiedene Protestveranstaltungen. Ampugnani begrüßt dies: "Die | |
Diversität ist wichtig, da wir voneinander lernen können. In den großen | |
Fragen stimmen wir alle überein." Am 7. Dezember soll es dann den "Großen | |
Marsch" geben. "Spätestens da sind wir alle wieder vereint", sagt er. | |
3 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Lena Hörnlein | |
Nick Reimer | |
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