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# taz.de -- Asiatische Pisa-Sieger: Reflektierter Fleiß mit Kameras
> Schanghai, Südkorea, Hongkong, Singapur: Vier von fünf Pisa-Siegern 2009
> kommen aus Asien, sie büffeln härter und länger. Aber sie tun es auch
> intelligenter.
Bild: Nicht für Pisa lernen wir.
Frau Bildungsministerin rümpfte kaum merklich die Nase. "Man muss das nicht
bewerten", meinte sie. Aber dann sagte Annette Schavan es eben doch. "In
Korea sitzen 34 Kinder in einem Klassenzimmer." Den Rest des Satzes
ergänzten die Journalisten in ihren Köpfen: "… und trotzdem stehen die so
weit oben!" Genau: Schanghai auf Platz 1, Südkorea auf Platz 2, Hongkong 4,
Singapur 5, nur das glückliche Finnland kann in der dünnen asiatischen Luft
mithalten.
Die neue Pisa-Studie schreckt keinen mehr so richtig, jedenfalls nicht auf
den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen sind viele aber dann doch sauer:
"Wieso wird's beim Lesen nicht besser?", heißt der eine Stachel in der
Seele der vermeintlichen Dichter und Denker. Und der zweite: "Wieso kommen
die Kinder der asiatischen Pauk- und Büffelstaaten sogar beim 'Reflektieren
und Bewerten' so viel weiter?" Das pierct das deutsche Philosophenhirn wie
wahnsinnig.
Dahinter steht eine arrogante und chauvinistische Vorstellung von deutscher
Bildung - einem Begriff, wie man in den besseren Kreisen maliziös vermerkt,
dem weder die Französische formation noch die englische education das
Wasser reichen könnten. "Früher", heißt es dann immer, "früher hätten die
Deutschen der ganzen Welt vorgemacht, wie man mit Bildung etwas erreichen
kann."
Früher war das so, aber das ist, ehrlich gesagt, lange vorbei. Heute müssen
wir zur Kenntnis nehmen, dass gerade die asiatischen Länder viel fleißiger
sind; dass sie wie die Irren in Bildung investieren, und zwar als Staat wie
als Gesellschaft; und dass sie, ganz nebenbei, in vieler Hinsicht auch viel
moderner sind. Denn das dumpfe Vorurteil, der Asiate könne bloß die Methode
Press-und-Stopf, und das auch noch länger, ist leider falsch.
Die Videokameras etwa in japanischen Klassenzimmern, die für die
Mathematikstudie "Timms" den Unterricht beobachteten, waren
aufschlussreich: Sie zeigten sehr wohl die kulturell kodierte Disziplin,
die in ein scheinbar überkorrektes Verhalten der Schüler mündet. Das war
aber nur die Rahmenhandlung. Zwei andere Eindrücke waren viel wichtiger.
Sie illustrieren das asiatische Lernkonzept als reflektierten Fleiß.
Die Kameras führten nämlich, erstens, einen sehr partnerschaftlichen und
freundschaftlichen Umgang von Lehrern und Schülern vor. Die beiden begegnen
sich auf Augenhöhe, wenn auch stets durch förmliche Einleitung und Schluss
die Distanz immer gewahrt bleibt. Zweitens sah man durch die Objektive
einen hochintelligenten Mathematikunterricht, bei dem die Aufgaben von
vornherein mit unterschiedlicher Schärfentiefe dargeboten wurden. Das
heißt, hier konnten schnelle wie langsamere Schüler andocken, jeder im
japanischen Klassenzimmer kann damit etwas anfangen.
Das ist etwas, was man in deutschen Klassenräumen allenfalls in der
Grundschule und in der einen oder anderen Gesamtschule findet. Deutschland
weist hier einen Modernisierungsrückstand auf, und der lässt sich unschwer
erklären: Wenn ein Land, wie Deutschland es seit der Herausbildung des
dreigliedrigen Schulsystems im 19. Jahrhundert getan hat, seine Lerngruppen
in vermeintlich homogene Cluster gleicher Schüler sortiert, dann reicht
natürlich Frontbeladung. Deutsche Schüler müssen, wenn man so will, immer
noch im Gleichschritt durch den Lehrplan marschieren.
Dabei bräuchten die Deutschen auf die Asiaten nicht eifersüchtig zu sein.
Denn die deutsche Bildungstradition enthält beides, das unerbittliche
Lernen für den Ernstfall genau wie das leichte spielerische Lernen mit
Fröbels Gaben zum Zwecke der Humboldt'schen Persönlichkeitsbildung. Es ist
also alles da.
8 Dec 2010
## AUTOREN
Christian Füller
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