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# taz.de -- UN bereichert sich im Südsudan: Danke für das Geld
> Mit mehr als hundert Millionen Dollar finanzieren internationale Geber
> die Demobilisierung im Südsudan. Doch das meiste Geld bleibt in den
> Taschen der UN-Leute stecken.
Bild: Wurden einst mit großen Hoffnungen begrüßt: UN-Mitarbeiter im Südsuda…
JUBA taz | Gelangweilt hockt Alessio Akol im Klassenzimmer im
Schulungszentrum in Südsudans Hauptstadt Juba. Der über 70-Jährige hat drei
Monate täglich die Schulbank gedrückt. Der Lehrer hat ihm immer wieder das
Alphabet heruntergebetet, die Zahlen von eins bis zwanzig wiederholt -
Dinge, die der alte Mann von Kindheit an wusste. Er seufzt: "Dieses
Training hilft mir kein bisschen weiter."
Akol diente 21 Jahre lang als Mediziner in Südsudans Rebellenarmee SPLA
(Sudanesische Volksbefreiungsarmee), versorgte Verwundete und Kranke. Sein
Spezialgebiet seien Leberkrankheiten wie Lepra und Typhus, sagt er. Vor
zwei Jahren schickte ihn sein Offizier nach Hause: Er sei zu alt. Jetzt
soll er lernen, ein ziviles Leben zu führen. "Ich brauche einen
Mikrokredit, um Medikamente zu kaufen und in meinem Heimatdorf eine
Apotheke aufzumachen, kein Analphabeten-Training." Doch man habe ihm
gesagt, er müsse das Training absolvieren, das gehöre zum Programm.
Der alte Mann gehört zu rund 11.000 SPLA-Guerillakämpfern, die seit Juni
2009 im Südsudan demobilisiert wurden. Südsudans Demobilisierungsprogramm
ist eines der umfassendsten in Afrika. Nach über 20 Jahren Bürgerkrieg
verfügt die ehemalige Guerilla, die nun Südsudans offizielle Armee
darstellt, noch über 140.000 bis 180.000 Soldaten. Davon sollen 90.000
entwaffnet werden. Die ersten 34.000 davon, deren Demobilisierung im Sommer
2009 anlief, sind ältere Männer wie Akol, Kindersoldaten,
Krankenschwestern, Kranke und Kriegsversehrte. In der zweiten Phase werden
ab 2011 rund 56.000 Kampftruppen nach Hause geschickt. Aber das UN-Programm
dafür ist nach Recherchen der taz extrem ineffizient.
Eine erfolgreiche Demobilisierung ist wichtig für Südsudans Zukunft. Das
Budget der SPLA verschlingt derzeit die Hälfte des Staatshaushalts. Der
Sold steht seit drei Monaten aus. Die Regierung ist pleite. Die Armee zu
verkleinern würde verhindern, dass bewaffnete Soldaten plündernd durch die
Dörfer ziehen und sich nehmen, was sie zum Leben brauchen, oder
Straßensperren errichten, um Schmiergelder zu erpressen.
Eigentlich hätte die Demobilisierung schon gleich nach dem Friedensabkommen
2005 anlaufen sollen. Damals erstellte die UN-Mission im Sudan (Unmis) eine
Liste der zu demobilisierenden 90.000 Kämpfer. Nicht als Computerdatenbank,
sondern handgeschrieben auf Papier. Diese Liste wurde mit der Gehaltsliste
der SPLA abgeglichen. Die Aufgelisteten wurden von der SPLA entwaffnet und
nach Hause geschickt - sie sollten auf das UN-Programm warten. Einer von
ihnen war Akol.
Dann passierte jahrelang nichts. Die Entwaffneten blieben sich selbst
überlassen. Die UN-Liste ist verschwunden. SPLA-Verbindungsoffiziere hetzen
jetzt durch die Dörfer, um die Leute auf der Liste wiederzufinden. Diese
frustrierten Exkämpfer sind ein gewaltiges Risiko für die Stabilität
Südsudans.
Missmanagement der UN
Die Ungebildeten trainiert nun Morris Ruben, ein Grundschullehrer, der sich
1987 freiwillig der Guerilla angeschlossen hatte. Bis zum Rang des
Hauptmanns stieg er auf. Im Jahr 2008 wurde auch er entlassen. Heute bringt
er seinen ehemaligen Kameraden das Alphabet bei. Rund 200 Pfund bekomme er
als Lehrer im Monat - in der Armee hatte er einst 1.000 Pfund erhalten.
Die ehemaligen SPLA-Kämpfer sind frustriert und enttäuscht. Er habe 20
Jahre im Busch für sein Land gekämpft, sagt Morris Ruben, und nun werde er
mit einer Handvoll Zeug nach Hause geschickt: Eine Wolldecke, ein
Moskitonetz, eine Schaufel, einen Eimer und einen Sack Mais - lauter Dinge,
die er bereits besaß und deswegen auf dem Markt wieder verkauft hat. Plus
860 Pfund Startgeld, umgerechnet rund 260 Euro. Das reiche nicht einmal, um
seine neun Kinder zur Schule zu schicken. "So behandelt man doch keine
Helden!", sagt er.
William Deng, der Vorsitzende von Südsudans Entwaffnungs-,
Demobilisierungs- und Reintegrationskommission (DDR), macht sich über all
dies große Sorgen. Und er ist wütend, weil eigentlich genug Geld da sei.
Viele DDR-Programme seien unterfinanziert. Dieses nicht. Doch das Geld
werde "von der UN korrumpiert", so Deng.
Der großgewachsene Mann hat während des Kriegs in Kanada gelebt,
anschließend in der UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo das
Demobilisierungsprogramm für die Kriegsregion Ituri aufgebaut. Nun stellt
er fest: Die UN habe im Südsudan ein Programm eingeführt, was auf Länder
wie den Kongo zugeschnitten sei, wo nicht kongolesische Rebellen entwaffnet
und in ihre Heimatländer zurückgebracht werden müssen. Diese Exkämpfer
standen bei der Heimkehr mit leeren Händen da, sie brauchten
Wasserkanister, Wolldecken, Maisrationen. "Doch unsere Leute sind schon
seit Jahren zu Hause, haben wahrscheinlich eine viel bessere Wolldecke als
die, die wir ihnen nun geben", sagt Deng kopfschüttelnd.
Ein ordentliches Programm müsse "effektiv, schnell und transparent
ablaufen", sagt Deng und haut auf den Tisch. Doch genau an dieser
Transparanz hapert es, und dafür macht Deng die UN-Entwicklungsagentur UNDP
verantwortlich, die das Demobilisierungsgeld der internationalen
Gemeinschaft verwaltet. Die UNDP hat zur Umsetzung des Programms
internationale Nichtregierungsorganisationen als Vertragspartner
beauftragt. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) führt das
Trainingsprogramm im Bundesstaat Zentral-Äquatoria durch, auch in Juba. Die
International Organisation für Migration (IOM) ist für Western Bahr
El-Gazal zuständig und hat die irische "Concern" als Untervertragspartner
angeheuert.
Wer sich hier welchen Teil des Kuchens abschneidet, sei völlig
undurchschaubar, so Deng. Die Geberländer - unter anderem Italien, Japan,
die Niederlande, Norwegen - haben bislang insgesamt 105 Millionen Dollar in
den DDR-Fonds für Sudan einbezahlt, der auf 430 Millionen angelegt ist.
Davon kommen 2,4 Millionen von der deutschen Bundesregierung. Der Wert des
DDR-Pakets eines jeden Exsoldaten beträgt durchschnittlich 1.500 Dollar.
Für insgesamt rund 200 Dollar werden Decken, Moskitonetze und andere
Haushaltswaren für die ehemaligen Kämpfer gekauft sowie die
Lebensmittelrationen für sie. Lehrer werden bezahlt, das Training
durchgeführt, Transportkosten erstattet, Evaluationen unternommen.
Übrig bleiben danach für den einzelnen Exkämpfer dennoch nur rund 400
Dollar Startgeld. Der Grund: Die internationalen Organisationen müssen
ebenfalls bezahlt werden. Schon die UNDP nimmt sieben Prozent
Verwaltungsgebühr. "Weil das Programm komplex gestaltet ist, verlieren wir
unterwegs in der Pipeline viel Geld", so Deng. Seine Kommission sei in die
Verhandlungen mit den Vertragspartnern nicht einbezogen worden. Sein
Einwand: "Es gibt nationale NGOs , die viel billiger sind als
internationale NGOs." Dann würde am Ende viel mehr Geld für Leute wie Akol
übrig bleiben.
Für Deng ist dieses Missmanagement eine Sicherheitsbedrohung. "Die
Exkämpfer denken, wir klauen ihnen das Geld, das ihnen zusteht", sagt er.
Deng hat eine unabhängige Buchprüfung angefordert, um herauszufinden, wo
das Geld versackt. Doch die UNDP hat nur eine interne Buchprüfung
zugelassen, die von September bis Oktober stattfand. Das Ergebnis wurde nie
veröffentlicht, auch Deng hat den Bericht nie erhalten. Der taz liegt nun
dieser Bericht vor. Er ist vernichtend.
"Das Programm kann 2011 nicht aufrechterhalten werden", steht darin. Es
gebe keine Strategie, wie die ausstehenden Teile des Budgets eingetrieben
werden sollten, interne Kontrollen fehlten. Für die Durchführung des
DDR-Programms in Nord- und Südsudan habe die UNDP 466 Mitarbeiter
budgetiert, mit veranschlagten Personalkosten von rund 16,7 Millionen
Dollar. Bislang hätten 328 Personen ihren Dienst angetreten, aber im Jahr
2010 schon über 20 Millionen Dollar bekommen. Rund 14 Millionen davon
gingen an gerade 50 "internationale Fachkräfte".
Die Person mit der höchsten Gehaltsstufe, P6 im UN-Jargon, erhält dieses
Jahr 370.216 Dollar; das ist ein Monatsgehalt von fast 31.000 Dollar -
steuerfrei. Drei Angestellte, die im Kostenvoranschlag von 2008 gar nicht
vorgesehen waren, erhalten die Gehaltsstufe P5, fast 28.000 Dollar im Monat
für jeden einschließlich Ortszulagen. Die Buchprüfer haben sich auch die
Einstellungsverfahren für diese Angestellten angeguckt, soweit es möglich
war, da ein Großteil der Personalakten und Bewerberlisten nicht zur
Verfügung standen. Ihr Ergebnis: "Das Einstellungsverfahren ist
intransparent." Zahlreiche der hochbezahlten Angestellten erfüllen laut
Bericht nicht die UN-internen Qualifikationsanforderungen.
Die UNDP geht davon aus, das Programm werde 20 bis 25 Prozent der früheren
Kämpfer helfen, ein neues Leben aufzubauen. Vergleichbare Programme im
Kongo gehen von mindestens 50 Prozent aus. Ein Gedankenspiel: Würde man
jedem Exkämpfer die ihm zustehenden 1.500 Dollar bar in die Hand drücken,
könnten viel mehr von ihnen einen Laden eröffnen, Land kaufen oder wie Akol
Medikamente für eine Apotheke erwerben.
Auf taz-Nachfragen reagiert die UNDP verhalten. Es dauert Wochen, bis
folgende Reaktion eintrifft: "Wir sind es den Leuten in Südsudan und
unseren Gebern schuldig, dieses Programm so erfolgreich wie möglich zu
gestalten, trotz der Schwierigkeiten. Wir überdenken nun, wie wir das
Programm verbessern und die Zusammenarbeit mit der UN effizienter gestalten
können." Auf die Frage mit der niedrigen Erfolgserwartung reagiert die
UNDP: "Das Programm wird in einem Staat umgesetzt, der sich von einem
langen Bürgerkrieg erholt. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf die
Ergebnisse."
Von den 105 Millionen gespendeten Geldern sind nach taz-Informationen noch
rund 30 Millionen übrig. Und Südsudanesen wie der ehemalige Feldarzt Akol
wird wohl nie genug Geld zusammenkriegen, um eine Apotheke zu eröffnen.
22 Dec 2010
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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