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# taz.de -- Mappus vor dem Untersuchungsausschuss: I bins ned gwä
> Stefan Mappus bestreitet jede Einflussnahme beim brutalen Polizeieinsatz
> im Stuttgarter Schlossgarten: Dafür gibt es tatsächlich keine Beweise.
> Aber Indizien.
Bild: Wasserwerfereinsatz im Stuttgarter Schlossgarten am 30.09.2010.
STUTTGART taz | Aus der Defensive in die Offensive: Der
baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat die
Verantwortung für den brutalen Polizeieinsatz vom 30. September in
Stuttgart von sich gewiesen. Stattdessen warf er am Mittwoch im
Untersuchungsausschuss den Grünen vor, die Debatte über das Bahnprojekt
Stuttgart 21 stark emotionalisiert zu haben.
In die Polizeitaktik habe er nicht eingegriffen. "Es war immer mein
Grundsatz, dass sich die Politik nicht operativ in die Arbeit der Polizei
einzumischen hat", sagte Mappus. "Es gab keinerlei Druck auf die Polizei."
Zwar gelang es der Opposition bei der Befragung, Mappus immer wieder in die
Enge zu treiben. Eindeutige Beweise für eine Einflussnahme durch die
Landesregierung förderte die Ausschusssitzung drei Monate vor der
Landtagswahl allerdings nicht zutage - ebenso wenig wie die 69 Zeugen, das
zweieinhalb stündige Filmmaterial und 2.250 Aktenseiten, die der Ausschuss
in den zurückliegenden Wochen gesichtet und durchforstet hat.
Dabei hatte die Opposition anfangs hohe Erwartungen geweckt und von
seriösen Beweisen dafür gesprochen, dass Mappus persönlich auf den
Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten Einfluss genommen habe. An
jenem "schwarzen Donnerstag" waren Hundertschaften der Polizei mit
Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken gegen überwiegend friedliche
Demonstranten vorgegangen. Ziel des Einsatzes war es, einen Teil des Parks
abzusperren, in dem später die ersten Bäume für Stuttgart 21 gefällt
wurden.
Als der Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnahm, war bereits ein
Bericht der Landesregierung bekannt, demzufolge dem umstrittenen
Polizeieinsatz mehrere Besprechungen zwischen der Landesregierung und der
Polizeiführung vorausgegangen waren. Schon in diesem Bericht, den die
schwarz-gelbe Landesregierung auf eine Anfrage der SPD hin veröffentlichte,
erkannte die Opposition klare Hinweise für ihre Annahme, dass Mappus
zumindest eine Mitverantwortung für den Einsatz trägt.
Für diese Annahme sprechen weiterhin im Wesentlichen drei Indizien, die im
Zusammenhang betrachtet zumindest eines zeigen: Auch wenn Mappus nicht
unmittelbar in das operative Polizeigeschäft eingegriffen hat, so war er
doch in die Polizeiplanungen stark eingebunden. Das hohe Risiko war ihm
bewusst, wenn er nicht gar selbst zusätzlichen Druck aufgebaut hat.
Am 20. September stattet Mappus der Stuttgarter Polizei einen
"Truppenbesuch" ab. Zunächst spricht er mit Beamten über ihre Probleme bei
den Einsätzen im Zusammenhang mit Stuttgart 21, dann zieht er sich im
kleineren Kreis mit Polizeipräsident Siegfried Stumpf zu einem Gespräch
zurück. Dort wird über die Situation im Schlossgarten, die Baumbesetzungen
und die geplanten Baumfällungen gesprochen. Im Gesprächsprotokoll heißt es:
"MP erwartet offensives Vorgehen gegen Baumbesetzer (keine Verfestigung).
Auch wenn es im Einzelfall die falschen Bäume sind: Räumen, wenn taktisch
klug und mit kalkulierbaren Risiken möglich."
Heute sieht Mappus das so: "Ich habe keine Erwartungshaltung geschürt",
sagte er am Mittwoch auf der Zeugenbank. Er habe allenfalls eine Haltung
der Polizei bestätigt.
In das Bild, das die Protokollnotiz zeichnet, passt jedoch, dass auch die
Regierungserklärung, die Mappus am 6. Oktober abgeben sollte, bei der
Terminfindung für den Einsatz eine Rolle spielte. "Klar war, dass die
Baumfällaktion abgeschlossen sein sollte, wenn der Ministerpräsident seine
Regierungserklärung hält", sagte die im Verkehrsministerium für Stuttgart
21 zuständige Referatsleiterin aus. Für die Opposition ein klarer Hinweis,
dass Mappus im Landtag Vollzug melden wollte. Der Machtmensch Mappus wollte
wieder die Initiative übernehmen.
Andere Zeugen betonten zwar, die Regierungserklärung sei ein Punkt von
vielen, aber nicht entscheidend gewesen. Zumindest aber dürfte dies den
zeitlichen Druck erhöht haben. Denn vor dem 1. Oktober war das Fällen der
Bäume aus naturschutzrechtlichen Gründen untersagt. Am Sonntag, 3. Oktober,
folgte der Tag der Deutschen Einheit sowie ein Fußballspiel mit
Risikopotenzial, bei dem die Polizisten gebraucht wurden. Und für den
Montag war die nächste Demonstration gegen S 21 angekündigt. "Einen
direkten Zusammenhang zwischen dem Einsatz und der Regierungserklärung gibt
es nicht", sagte Mappus. Ein Zusammenhang ergebe für ihn auch gar keinen
Sinn, denn "zentraler Bestandteil war der Anstoß eines
Schlichtungsprozesses".
Mappus sagte aber auch: "Was natürlich nicht ging, dass quasi parallel zu
meiner Regierungserklärung dieser Einsatz stattfindet."
Ursprünglich war der Einsatz daher für den 30. September um 15 Uhr
angesetzt. Doch am Tag zuvor sickerte die Uhrzeit im Internet durch. Was
nun?, fragte sich nicht nur die Polizeiführung, sondern auch der
Ministerpräsident. Er lud die Polizei zu sich ins Staatsministerium ein.
Vor diesem Treffen äußerte Landespolizeipräsident Wolf Hammann in einem
Vermerk starke Zweifel und plädierte dafür, den Einsatz zu verschieben.
"Wenn sich im Park zu Beginn der Polizeimaßnahmen mehrere tausend Personen
befinden, ist mit verhältnismäßigen Mitteln eine Räumung - und damit ein
Beginn der Fällarbeiten - nicht möglich", schrieb Hammann.
Der ihm unterstellte Stuttgarter Polizeipräsident Stumpf sah das anders,
doch die Differenzen konnten vor dem Gespräch mit Mappus nicht mehr geklärt
werden.
In Anwesenheit des Ministerpräsidenten sprach sich Stumpf dafür aus, den
Einsatz auf 10 Uhr vorzuziehen, obwohl parallel dazu Schüler in der
Innenstadt demonstrieren sollten. Ein Teilnehmer der Runde bezeichnete
Hammanns Einwände, die er im Gespräch nochmals äußerte, als "Knackpunkt".
Hammann wollte schließlich nur zustimmen, wenn genügend Einsatzkräfte zur
Verfügung stünden, und verließ während des Gesprächs den Raum, um die Frage
telefonisch zu klären. Danach soll er auch zugestimmt haben - obwohl die
endgültige Zusage für genügend Kräfte erst am Abend gegen 20.30 Uhr kam.
"Herr Stumpf hat mein vollstes Vertrauen, sodass es für mich auch nicht die
Notwendigkeit gab, das zu hinterfragen", sagte Mappus. "Ich habe mich in
dieser Besprechung bewusst zurückgehalten." Er bezeichnete das Treffen als
"Informationsveranstaltung". "Die Entscheidung über Zeit, Taktik und vor
allem auch Einsatzmittel oblag der Polizei."
Neben den Besprechungen zwischen Mappus und der Polizei standen im
Untersuchungsausschuss auch zwei Treffen im Verkehrsministerium am 20. und
27. September im Mittelpunkt. Doch ausgerechnet über diese zwei
Besprechungen wurden keine Protokolle erstellt. Der Amtschef des
Ministeriums, Bernhard Bauer, erklärte dies vor dem Ausschuss damit, dass
sie verhindern wollten, dass Informationen aus den Gesprächen nach außen
gelangen. Eine Beamtin des Ministeriums sagte aus, sie habe die Protokolle
schlichtweg wegen Zeitmangels nicht erstellt. Von Geheimhaltung sei ihr
nichts bekannt.
Was wird von derlei Aussagen in der Öffentlichkeit hängen bleiben? Das wird
am Ende die entscheidende Frage sein. Denn stichhaltige Beweise konnten SPD
und Grüne wahrlich nicht liefern.
Und genau darauf wird Mappus im Wahlkampf zielen. So kurz vor einer
Landtagswahl war der Untersuchungsausschuss für ihn ein heikles
Unterfangen. Seht her, wird er nun sagen, wir haben uns der Schlichtung im
Stuttgart-21-Streit gestellt, wir haben uns dem Untersuchungsausschuss
gestellt - was wollt ihr noch?
Noch vor der Sitzung am Mittwoch hatte Mappus verlautbart, der
Untersuchungsausschuss böte die Gelegenheit, alles transparent darzulegen.
Ähnlich wie nach der Schlichtung, als ihm Heiner Geißler mit einem Votum
für ein "Stuttgart 21 Plus" zu Hilfe kam, wird er nun darauf hoffen, dass
seine Aussage vor dem Ausschuss seiner Rehabilitierung dient. Umgekehrt
wird die Opposition im Wahlkampf mit den erarbeiteten Indizien ein Bild vom
Machtmenschen Mappus zeichnen, der den Einsatz auf Gedeih und Verderb
gewollt hat. "Mappus hat den Polizeieinsatz in den Dienst seiner
Wahlkampfstrategie gestellt", sagte schon am Dienstag Claus Schmiedel, der
Chef der SPD-Fraktion. Am Ende wird es also weniger um den ultimativen
Beweis gehen als vielmehr um die politische Deutungshoheit.
22 Dec 2010
## AUTOREN
Nadine Michel
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
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