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# taz.de -- Voodoo-Priester in Haiti: Ermordet und verbrannt
> In Haiti sind Tausende an der Cholera gestorben. Dafür lässt der Mob
> jetzt Voodoo-Priester büßen. Allerdings sollen evangelikale Kreise die
> Stimmung angeheizt haben.
Bild: Bemalter Hintergrund für eine Voodoo-Zeremonie in Haiti am Tag des Tods.
SANTO DOMINGO taz | Sie kamen nachts mit Macheten, Beilen und Knüppeln. In
mehreren kleinen Dörfern rund um die Stadt Jérémie im äußersten Südwesten
Haitis ermordete eine aufgebrachte Menschenmenge Voodoopriesterinnen und
-priester und verbrannte ihre Leichen auf der Straße. Insgesamt 45 Mambos
(Frauen) und Houngars (Männer) starben, weil sie von dem Mob für die
Verbreitung der Choleraepidemie verantwortlich gemacht werden. "Es ist eine
Form des Antivoodoo, der von rivalisierenden Sekten geschürt wird",
fürchtet der Nationalrat des haitianischen Vodoo (KNVA) in einer vor
Weihnachten veröffentlichen Erklärung.
Bereits Anfang Dezember waren in derselben Region ein Dutzend Personen
umgebracht beziehungsweise bei lebendigem Leibe verbrannt worden, weil "sie
weißes Pulver mit dem Choleraerreger verschüttet hätten". Im haitianischen
Rundfunksender Caraïbes FM beklagte sich Max Beauvoir, dass "wir für die
Choleraerkrankung verantwortlich gemacht werden". Ob Regierungskrisen oder
-wechsel, Umstürze oder Epidemien, immer werde dem Voodoo die Schuld in die
Schuhe geschoben, sagte der "Ati", der spirituelle Leiter des haitianischen
Voodoo.
Zwar hat die Regierung auf die ersten Morde mit einer öffentlichen
Erklärung reagiert, in der es hieß: "Es gibt keine Cholerakraft, keinen
Cholerazombie und keinen Cholerageist." Die Pogromstimmung gegen
Voodooanhänger hat dies aber nicht beschwichtigen können. Gleichzeitig
forderte Beauvoir die haitianische Regierung auf, einzuschreiten und die
Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Sie habe es versäumt, die
Menschen über die Ursachen der Cholera korrekt zu informieren. Nachdem sich
die Wogen vorübergehend geglättet hatten, brach dann im Südwesten des
Landes kurz vor Weihnachten erneut die Gewalt über die wohl größte
Religionsgemeinschaft in Haiti herein.
Obwohl sich offiziell mehr als 80 Prozent der Bevölkerung zum Katholizismus
bekennt, praktizieren rund drei Viertel der Bevölkerung mehr oder minder
aktiv den Voodoo. Sehr zum Missfallen der immer stärker werdenden
evangelikalen Sekten. Diese haben sich vor allem seit dem Erdbeben in Haiti
etabliert, in dem sie Hilfe mit missionarischem Eifer leisteten und kaum
eine Gelegenheit auslassen, um gegen die "Teufelssekte" zu polemisieren und
diese für das Elend verantwortlich zu machen.
Schon im Februar, gerade vier Wochen nach dem schweren Erdbeben, bei dem
vermutlich rund 300.000 Menschen starben, griffen evangelikale Fanatiker
einen Voodoogottesdienst für die Erdbebenopfer an. "Leute haben uns
beschuldigt, dass das Erdbeben die Strafe für die Zaubersprüche und bösen
Dinge ist, die wir tun", sagt Max Beauvoir.
Zum wiederholten Mal werden Mitglieder des in Haiti als offizielle Religion
zugelassenen Voodoo für die Übel verantwortlich gemacht, an denen das Land
leidet - diesmal für den Ausbruch der Cholera, die bisher rund 2.700
Menschenleben gefordert hat.
Aber wer hinter diesen Attacken steht, ist unklar. Niemand möchte innerhalb
der Voodooszene die Konflikte weiter anheizen und vor allem niemanden
fälschlicherweise verdächtigen. Doch die Konflikte und jetzt die Morde
finden genau dort statt, wo vor allem evangelikale Kreise stark an Einfluss
gewonnen haben.
27 Dec 2010
## AUTOREN
Hans-Ulrich Dillmann
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