# taz.de -- Streit um FDP-Chef Westerwelle: Guidos Gegner | |
> FDP Parteichef Guido Westerwelle wankt, seine innerparteilichen Gegner | |
> machen mobil. Dahinter steckt Kalkül, aber auch Rache. Die fünf | |
> wichtigsten Feinde und ihre Motive. | |
Bild: Rainer Brüderle über Westerwelle: im Wahlkampf ein "Klotz am Bein". | |
Guido Westerwelle hat wenige Freunde. Viele hatte er noch nie. Auch nicht, | |
als der Rheinländer die FDP aus ihrer tiefen Krise Mitte der 90er Jahre | |
heraus- und vor einem Jahr in die Bundesregierung hineinholte. Stets | |
brachte seine Partei dem persönlich Distanzierten bestenfalls Anerkennung | |
für seine Leistungen entgegen, nie Zuneigung. Nun zeigt sich, was | |
geschieht, wenn der Erfolg ausbleibt: Alte Gegnerschaften werden wach. | |
Viele aus der FDP-Spitze nutzen die Parteikrise, um ihre Rechnungen zu | |
begleichen. | |
*** | |
Jörg-Uwe Hahn: Er zählt zu den ausdauerndsten Kritikern des Parteichefs. | |
Der hessische Justizminister und FDP-Landeschef machte bereits im | |
vergangenen Sommer Westerwelle für den Absturz der Partei in Umfragen | |
verantwortlich - und forderte kaum verhohlen dessen Rücktritt vom | |
Parteivorsitz. Wie so viele hessische Freidemokraten ist der störrische | |
Kasseler seit Jahren nicht gut auf Westerwelle zu sprechen. Hahn fühlt sich | |
von Westerwelle ausgebremst. | |
Obwohl die Hessen 2009 ein blendendes Landtagswahlergebnis einfuhren, seit | |
Jahren mitregieren und rund ein Zehntel der Parteimitglieder stellen, haben | |
sie in der FDP-Bundesspitze wenig zu sagen. Bei der Vergabe von | |
Ministerposten und beim Fraktionsvorsitz ging der konservative | |
Landesverband leer aus. Machtlosigkeit und Frust lassen Hahn besonders laut | |
kritisieren, was im Bund schiefläuft. Hinzu kommt: Graue Eminenz der | |
Hessen-FDP ist Wolfgang Gerhardt. Der Vorsitzende der parteinahen | |
Friedrich-Naumann-Stiftung hat nie verwunden, dass Westerwelle ihn einst | |
aus Partei- und Fraktionsvorsitz drängte. Und hält sich noch immer für die | |
Idealbesetzung als Außenminister. | |
*** | |
Wolfgang Kubicki: Nur er schreit noch lauter als Jörg-Uwe Hahn. Der starke | |
Mann der schleswig-holsteinischen FDP sorgte per Spiegel-Interview vor zwei | |
Wochen für ein publizistisches Beben. Der Fraktionschef im Kieler Landtag | |
sprach aus, was viele in der Partei denken: Mit Westerwelle an der Spitze | |
wird die FDP nicht aus ihrem Dauertief finden. Jürgen Möllemanns einstiger | |
Vertrauter ist neben Hahn der einzige offene Kritiker des Parteichefs. Er | |
kann es sich erlauben. Mehrmals hat der 58-Jährige erklärt, er strebe keine | |
Karriere im Bund mehr an. Zugleich ist seine Macht im nördlichsten | |
Landesverband unbestritten. Der Miterfinder des "Projekts 18" hat nie | |
verwunden, dass Westerwelle eine Mitverantwortung für Möllemanns | |
antisemitisch angehauchten Bundestagswahlkampf 2002 von sich wies. | |
*** | |
Hermann Otto Solms: Seine Kränkung liegt weniger offen zutage. Ziel des | |
FDP-Schatzmeisters war es, Bundesfinanzminister zu werden. Doch der | |
Taktiker Westerwelle entschied sich bei den Koalitionsverhandlungen 2009, | |
das der FDP näher liegende Wirtschaftsministerium zu beanspruchen. Solms | |
musste sich mit dem Trostpflaster begnügen, dass Westerwelle auf dem | |
Parteitag Ende 2009 vorschlug, das FDP-Stufenmodell einer | |
Einkommensteuerreform "Solms-Modell" zu nennen. Damit verebbt die Karriere | |
des 70-Jährigen, anstatt wie die eines anderen Altgedienten von | |
Ministerehren gekrönt zu werden. | |
*** | |
Rainer Brüderle: Der lange Verlachte hat binnen eines Jahres eine steile | |
Karriere gemacht - vom Talkshow-tingelnden Mittelstands-Versteher aus der | |
Provinz zum Bundeswirtschaftsminister mit dem Ruf des letzten | |
Ordnungspolitikers. Der starke Mann der rheinland-pfälzischen FDP und | |
Westerwelle sind einander in Abneigung verbunden. Zur Kritik aus seinem | |
Landesverband, Westerwelle sei im Wahlkampf ein "Klotz am Bein", hat | |
Brüderle auffällig lange geschwiegen. | |
Als durchsickerte, dass der "Schaumburger Kreis" konservativer FDPler über | |
eine Ablösung Westerwelles beriet, vermuteten Beobachter Brüderle hinter | |
der Indiskretion. Auch Solms gehört dem Kreis an. Der 65-jährige Brüderle | |
wird als Übergangschef gehandelt, der die Partei beruhigen könnte. | |
Westerwelles Sturz könnte Brüderles Aufstieg bedeuten. | |
*** | |
Christian Lindner: Das trifft auch auf Lindner zu. Der Rheinländer ist erst | |
seit einem Jahr FDP-Generalsekretär. Aber in dieser Zeit hat der smarte | |
Politologe etwas für Freidemokraten fast Unglaubliches geschafft: Er hat | |
keinen gravierenden Fehler begangen. Dies, seine einnehmende Art, sein | |
Intellekt und die Verzweiflung seiner Parteifreunde lassen den 31-Jährigen | |
zur Hoffnung vieler FDPler werden. | |
Anders als alte Weggefährten hat er keine Rechnungen mit Westerwelle offen. | |
Im Gegenteil: Dem Parteichef verdankt er die Berufung zum obersten | |
Wadenbeißer der Partei. Lindner kann aufsteigen, wenn er sich weiterhin | |
loyal gegenüber seinem Chef zeigt. Die Dinge laufen ohnehin auf ihn zu. | |
Hahn, Kubicki, Solms und Brüderle mögen Intrigen spinnen. Als deren größter | |
Profiteur könnte sich Lindner erweisen. | |
29 Dec 2010 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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