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# taz.de -- Amoklauf in Arizona: Politikerin aus dem Koma erwacht
> Ein offenbar geistig Verwirrter hat in den USA sechs Menschen getötet.
> Der Demokratin Gabrielle Giffords schoss er in den Kopf – Die Ärzte
> rangen um ihr Leben.
Bild: Der Horror ereignete sich vor einem Einkaufszentrum nahe Tuscon.
WASHINGTON/TUCSON taz/dpa/dapd | Beim Anschlag auf eine demokratische
Abgeordnete hat ein Schütze in Arizona am Samstag sechs Menschen getötet
und 13 Opfer verletzt. Unter den Toten sind ein neunjähriges Mädchen und
ein hoher Richter des Bundesstaates. Die 40-jährige Politikerin Gabrielle
Giffords befand sich nach einem Kopfschuss in kritischem Zustand, ist
mittlerweile aber wieder bei Bewusstsein. Der 22-jährige Killer wurde
festgenommen. Er gilt als geistig verwirrt - doch wird nicht
ausgeschlossen, dass die Bluttat Resultat der politischen Hassrhetorik ist,
die die USA seit Monaten regiert.
Das Verbrechen geschah am Vormittag unter blauem Himmel vor einem
Einkaufszentrum am Stadtrand von Tucson. Zum ersten Mal seit ihrer
Vereidigung am Mittwoch suchte die Politikerin dort die Nähe ihrer Wähler.
Vor einem Safeway-Supermarkt hatte sie sich zur Bürgerstunde postiert, um
den Sorgen der Einwohner der Millionenstadt unweit der mexikanischen Grenze
zu lauschen.
Als die lächelnde Frau mit dem schulterlangen dunkelblonden Haar gerade im
Gespräch war, verwandelte sich die idyllische Szenerie binnen Sekunden in
einen Alptraum: "Plötzlich taucht dieser junge Mann auf und schießt ihr
geradewegs in den Kopf", so ein fassungsloser Augenzeuge. Der Schütze
geriet in Rage und ballerte wild in die Umherstehenden. "15 bis 20 Schüsse
hat er abgefeuert", so der um Fassung ringende Zeuge. Eine Kugel traf ein
kleines Mädchen, das gerade mit seiner Mutter auf dem Weg zum Supermarkt
war. Auch ein befreundeter Richter und eine Helferin der Abgeordneten
wurden getötet.
Bis Passanten den Schützen überwältigen konnten, erschoss er sechs
Menschen. Einige der umherliegenden Verletzten befanden sich in kritischem
Zustand. Die schwer verletzte US-Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords
wurde sofort einer mehrstündigen Notoperation unterzogen und ist
mittlerweile wieder bei Bewusstsein. Sie sei nach einer Operation aus dem
Koma erwacht und habe auf die Ansprache der Ärzte reagiert, sagte einer der
Ärzte, Michael Lemole, am Sonntag auf einer Pressekonferenz. Die Kugel des
Täters habe die linke Hälfte ihres Kopfes durchschlagen. Die Chirurgen
hätten Teile des Schädelknochens entfernt, um den Druck auf das
angeschwollene Gehirn zu verringern.
Giffords gilt als moderate, aber streitbare Demokratin, die nicht immer auf
Parteilinie liegt. So trat sie im Widerspruch zu vielen Demokraten für das
Recht auf Schusswaffen ein. Schon einmal, auf einer Wahlveranstaltung im
vergangenen August hat sie die Konsequenzen spüren müssen. Nach erhitzten
Protesten gegen die Gesundheitsreform wurde ein Demonstrant festgenommen.
Während Giffords Auftritts war seine Waffe auf den Boden gefallen, die er
unter der Armbeuge getragen hatte.
Giffords wusste um ihre politischen Gegner. Nicht nur, dass Vandalen kurz
nach der Absegnung der umstrittenen Gesundheitsreform, ihr Büro verwüstet
hatten. Auch die Spitzenpolitikerin der ultrarechten Tea Party, Sarah
Palin, setzte sie auf die politische Abschussliste: Sie erklärte Giffords
Sitz im Parlament als eines der Topziele für die Zwischenwahlen im
vergangenen November.
Doch der konservative Kandidat Jesse Kelly unterlag - wenn auch knapp. Der
ehemalige Irak-Soldat hatte seine Anhänger in seiner Wahlkampagne dazu
aufgefordert, ihm zu helfen, Giffords von ihrem Sitz zu stoßen und dafür
ein vollgeladenes M-16-Gewehr zu verballern. Dazu hatte er sich mit seiner
automatischen Waffe abbilden lassen. Giffords hatte in einem Interview mit
dem TV-Sender MSNBC Wochen vor dem Attentat vor Konsequenzen derartiger
rhetorischer Mittel gewarnt.
Der Sheriff von Tucson, Clarence Dupnik, macht die aufgeheizte politische
Stimmung für das Attentat verantwortlich. "Wir wissen, was ketzerische
Bemerkungen über den Sturz der Regierung bei psychisch labilen Menschen
anrichten können", sagte Dupnik. "Die Wut, der Hass und die Bigotterie, die
sich hierzulande verbreiten sind allmählich abscheulich."
Politische Kommentatoren in den USA beklagen seit Monaten das rauhe
politische Klima in den USA, das vor allem durch die radikale Tea Party
aufgeheizt wird. Besonders in Arizona, wo viele illegale Einwanderer leben,
schlug im vergangenen Jahr eine Ausländerdebatte hohe Wellen. In letzter
Minute konnte ein Bundesgericht dort bereits beschlossene scharfe
Ausländergesetze verhindern.
Präsident Barack Obama sprach von einer "unsagbaren Tragödie". Eine solche
"sinnlose und schreckliche Gewalttat hat in einer freien Gesellschaft
keinen Platz", meinte er in einer ersten schriftlichen Stellungnahme. "Wir
werden der Sache auf den Grund gehen", sagte Obama, der später eigens vor
die Kameras trat. Ähnlich erschüttert äußerte sich der neu gewählte
Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner von den Republikanern. "Das
ist ein trauriger Tag für unser Land." Das Abgeordnetenhaus in Washington
sagte alle Sitzungen in der nächsten Woche ab.
Die Polizei konnte zunächst noch kein Tatmotiv feststellen. Sheriff Dupnik
schloss nicht aus, dass der Killer einen Komplizen hat, der noch auf freiem
Fuß ist.
9 Jan 2011
## AUTOREN
Antje Passenheim
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