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# taz.de -- US-Justiz fordert Daten von Twitter: Die Wünsche einer Supermacht
> Die USA verlangen Twitter-Daten von Helfern der Enthüllungsplattform
> Wikileaks. Der Kommunikationsdienst Twitter stellt sich jedoch auf die
> Seite der User.
Bild: Birgitta Jónsdóttir: im Visier der US-Behörden.
STOCKHOLM taz | Mit Kritik und Empörung haben Mitglieder der Regierung in
Reykjavik auf Informationen reagiert, wonach die US-Justiz offenbar gegen
die isländische Parlamentsabgeordnete Birgitta Jónsdóttir in einem
strafrechtlichen Verfahren im Zusammenhang mit Wikileaks ermittelt.
Innenminister Ögmundur Jónasson nannte entsprechende Nachrichten „sehr
merkwürdig und ausgesprochen ernst“. Außenminister Össur Skarphéðinsson
bezeichnete den Vorgang als „nicht akzeptabel“ und kündigte an, deshalb mit
der US-Regierung Kontakt aufzunehmen: „Es kann nicht toleriert werden, dass
ein gewählter Repräsentant unseres Staates so behandelt wird.“ Als
Parlamentarierin ist Jónsdóttir gegen Strafverfolgung kraft ihres Amtes
durch politische Immunität geschützt.
Birgitta Jónsdóttir ist nur eine der Personen, für die das
US-Justizministerium vom Internet-Kommunikationsdienst Twitter die
Herausgabe aller Tweets und persönlicher Daten, wie User- und Nick-Names,
Informationen über mögliche weitere Identitäten, Telefonnummern,
Email-Adressen, Bankdaten, sowie Aufzeichnungen über Zugriff auf den
Twitter-Account bis zurück zum 1. November 2009 fordert. Weitere Personen
sind nach bisherigen Informationen Wikileaks-Chef Julian Assange selbst,
der Internetaktivist und zeitweilige Wikileaks-Sprecher Jacob Applebaum,
der niederländische Hacker Rop Gonggrijp, auch er früherer
Wikileaks-Mitarbeiter und der mittlerweile unter dem Verdacht der
Weitergabe vertraulicher Dokumente an Wikileaks inhaftierte
US-Armeeangehörige Bradley Manning.
Erfahren hatten die Betroffenen von dem Verfahren nur, weil Twitter sich
gewehrt hatte, einer am 14. Dezember auf Antrag des US-Justizministeriums
von einem Bundesgericht in Virginia ausgestellten entsprechenden Anordnung
(„Subpoena“) Folge zu leisten. Diese „Subpoena“ forderte außerdem eine
Geheimhaltung: Twitter dürfe „diese Untersuchung nicht gegenüber den
genannten Nutzern oder irgendeiner anderen Person enthüllen“. Gegen diese
Geheimhaltungsanordnung legte Twitter dann erfolgreich ein Rechtsmittel
ein. Am 5. Januar hob ein Bundesgericht das Informationsverbot auf. Die
entsprechenden Dokumente wurden mittlerweile von [1][Salon.com]
veröffentlicht.
Birgitta Jónsdóttir erhielt daraufhin – ähnlich wie offenbar auch alle
anderen Betroffenen - am Freitag von der Twitter-Rechtsabteilung ein
Schreiben, in dem sie über den Vorgang informiert wurde. Darin teilt
Twitter mit, man habe selbst keine Möglichkeit sich gegen die „Subpoena“
rechtlich zu wehren und werde die Daten deshalb am 17. Januar herausgeben.
Allerdings könnten die von der Anordnung betroffenen Twitter-User bis dahin
noch Rechtsmittel einlegen. Jónsdóttir kündigte an, dies auch tun zu wollen
und hat zwischenzeitlich einen US-Anwalt eingeschaltet. Sie vermutet, das
Verfahren diene dazu, Informationen zu sammeln, um „Julian Assange an die
USA ausgeliefert zu bekommen“.
Selbst arbeitet die Althing-Abgeordnete und ehemalige Wikileaks-Sprecherin
seit einigen Monaten nicht mehr mit Wikileaks zusammen, nachdem es zwischen
ihr und Assange im Gefolge der Sexualdeliktsanklagen gegen diesen zu
Meinungsverschiedenheiten gekommen war: Sie hatte Assange damals empfohlen,
sich zurückzuziehen, um Wikileaks nicht zu schaden. Jónsdóttir ist aber
immer noch einer der InitiatorInnen hinter der „Icelandic Modern Media
Initiative“ (IMMI) die auf Island einen Freihafen für Meinungs- und
Informationsfreiheit einrichten will. Und deren Ausgestaltung in Reykjavik
derzeit noch parlamentarisch beraten wird. Das Vorgehen der US-Justiz gegen
Twitter unterstreiche die Wichtigkeit dieser Initiative, betont Jónsdóttir,
lobt aber gleichzeitig, wie Twitter sich bisher verhalten hat: Der
Plattform sei es hoch anzurechnen, dass sie sich hier auf die Seite ihrer
User gestellt habe.
In einem ersten Kommentar zum Vorgehen der US-Justiz sprach Julian Assange
gegenüber BBC von einem Angriff auf die Menschenrechte: Hätte der Iran zu
ähnlichen Mitteln gegriffen, würden Menschenrechtsorganisationen weltweit
protestieren.
9 Jan 2011
## LINKS
[1] http://www.salon.com/news/opinion/glenn_greenwald/2011/01/07/twitter/index.…
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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