# taz.de -- Ministerin verteidigt Krisenmanagement: Aigner greift die Täter an | |
> Agrarministerin Aigner geht im Dioxinskandal davon aus, dass das Futter | |
> vorsätzlich gepantscht wurden. Das sagte sie im Bundestag. Der | |
> Bauernverband fordert Entschädigungen. | |
Bild: Doppelrolle für Aigner: Die Ministerin verteidigt ihr Krisenmanagement u… | |
BERLIN dapd/reuters/afp | Im Skandal um Dioxin in Tierfutter geht | |
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) von einer vorsätzlichen Beimischung | |
belasteter Fette aus. "Die Täter waren und sind skrupellos", sagte Aigner | |
am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag. "Dioxin gehört nicht | |
ins Futtermittel, und Dioxin gehört schon gar nicht in die Lebensmittel." | |
Lebensmittel seien "keine Industriegüter" und müssten daher besonderen | |
Anforderungen an Sicherheit und Qualität genügen, sagte Aigner. "Das | |
Qualitätssiegel 'made in Germany' muss auch hier gelten." | |
Gleichzeitig verteidigte die CSU-Politikerin ihr Krisenmanagement im | |
Dioxin-Skandal gegen heftige Kritik der Opposition. Von Anfang an habe sie | |
die Lage ernst genommen und dabei Sicherheit und Gründlichkeit vor | |
Schnelligkeit walten lassen, sagte die CSU-Politikerin am Mittwoch in einer | |
Regierungserklärung. | |
So habe sie einen Krisenstab und ein Bürgertelefon eingerichtet, sich mit | |
der EU abgestimmt und sich um die internationalen Märkte gekümmert. | |
Parallel habe sie an Konsequenzen gearbeitet, damit sich ein solcher Fall | |
nicht wiederhole. "Das ist ein solides Vorgehen und das Gegenteil von | |
blindem Aktionismus", sagt Aigner. | |
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, hat den | |
Dioxin-Skandal indes als "Super-GAU" für die deutschen Landwirte | |
bezeichnet. Wenige Menschen in der Futtermittelbranche hätten kriminell | |
gehandelt, und jetzt werde die ganze Landwirtschaft verteufelt, sagte der | |
Präsident des Deutschen Bauernverbands am Mittwoch in Berlin auf der | |
Eröffnungspressekonferenz der Internationalen Grünen Woche. Die jetzt von | |
Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) und den Ländern eingeleiteten | |
Maßnahmen seien richtig. | |
Die Bauern unterstützten diese Vorschläge, sagte Sonnleitner. Alle Vorhaben | |
müssten zügig und rechtskräftig umgesetzt werden, um den Verbraucherschutz | |
wiederherzustellen. Er vermisse jedoch eine Entschädigungsregelung für die | |
Bauern. Hier bestehe Nachbesserungsbedarf. Sonnleitner schlug dazu einen | |
Fonds vor, in den alle Futtermittelbetriebe einzahlen sollten und aus dem | |
die Bauern dann Hilfen erhalten könnten. | |
Erzeugerpreise stark gesunken | |
In der Folge des Dioxin-Skandals seien die Erzeugerpreise stark gesunken, | |
sagte der Bauernpräsident. Die Bauern verzeichneten große finanzielle | |
Einbußen und erlitten jetzt einen "Schaden im Schaden". Sie müssten | |
Absatzrückgänge in zweistelliger Höhe verkraften. Sonnleitner bezifferte | |
die Schäden für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe bislang auf 100 | |
Millionen Euro. Hinzu kämen Einbußen durch einen "extremen Preissturz" | |
beispielsweise bei Schweinefleisch und Eiern. Dazu lägen aber noch keine | |
genauen Berechnungen vor. | |
Der Bauernpräsident erneuerte seine Forderung nach einer harten Bestrafung | |
der Verantwortlichen: "Für die Übeltäter darf es keine Gnade geben." | |
Konsequenz müssten die dauerhafte Sperrung des Betriebs und ein | |
lebenslanges Berufsverbot sein. | |
Wie Sonnleitner verwies auch der Vorsitzende der Bundesvereinigung der | |
Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham, auf den schweren | |
Imageschaden für die Branche durch den Dioxin-Skandal. Jeder in der | |
Futtermittel- und Lebensmittelkette müsse sich darauf verlassen können, | |
dass seine jeweilige Vorstufe "sauber" arbeitet, sagte Abraham. Kriminelle | |
Machenschaften müssten streng geahndet werden. Zudem sollte der | |
Kontrolldruck verstärkt werden. Der BVE-Chef begrüßte es, dass Aigner jetzt | |
mehr Kompetenzen für die Kontrollen erhalte. | |
Berlins Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linke) sagte am | |
Mittwoch anlässlich des Starts der Grünen Wochen, sie fordere, die | |
Lebensmittelkontrollen bundesweit zu verbessern. In Berlin wolle sie | |
allerdings derzeit nicht mehr Kontrolleure einstellen. Langfristig solle | |
deren Zahl aber von derzeit 200 auf 220 erhöht werden. Zudem werde sie sich | |
auf Bundesebene "vehement" für die Verbesserung von Standards und Qualität | |
in der Lebensmittelüberwachung einsetzen. kündigte Lompscher an: "Es ist | |
wenig gewonnen mit mehr Kontrollen, wenn wir nicht die Vorschriften für die | |
Industrie dem Bedarf anpassen." | |
Auch forderte Lompscher abermals eine bundesweite Einführung eines | |
"Smiley"-Systems zur Bewertung der Hygiene in Gastronomie und | |
Lebensmittelhandel. | |
19 Jan 2011 | |
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