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# taz.de -- Misstrauensvotum gegen Wikimedia-Vorstand: Konzern oder Community?
> Stress in Wikiland. Der Vorstand von Wikimedia Deutschland steht in der
> Kritik. Auslöser ist die Gründung einer Tochtergesellschaft für die
> Spendenverwaltung.
Bild: Spenden sind ein wichtiges Thema: WikiMedium, die Vereinszeitung von Wiki…
Kaum sind die Feierlichkeiten zum [1][zehnten Geburtstag der Wikipedia]
abgeklungen, stehen beim Verein [2][Wikimedia Deutschland] weniger
erfreuliche Angelegenheiten auf der Tagesordnung. Am Samstag muss sich der
Vorstand des gemeinnützigen Vereins einem Misstrauensvotum stellen. Der
Vorwurf: Wikimedia habe sich von seiner Basis entfernt, gleiche immer mehr
einem Konzern als einer lebendigen Community.
Kern des Streits: der Vereinsvorstand hatte im September die Gründung einer
Tochtergesellschaft beschlossen, die seither die Spendengelder verwaltet,
mit denen sich das Freiwilligen-Projekt finanziert. "Die Ausgründung einer
weiteren Körperschaft aus einem Verein ist eine wesentliche Entscheidung,
die – unserer Meinung nach – nicht ohne Einbindung der Mitglieder hätte
erfolgen dürfen", erklärt Vereins-Mitglied René Schwarz.
Er war schon länger mit dem Gebahren der Geschäftsstelle des Vereins in
Berlin unzufrieden, nun verlangte er Konsequenzen: Auf einer eigens
eingerichteten Webseite sammelte er Unterschriften, um eine
Außerordentliche Mitgliedsversammlung einzuberufen – und hatte letztlich
Erfolg.
Der Vorstand sieht sich zu unrecht attackiert: "Wir wissen, dass die Art
und Weise, wie wir kommunizieren, nicht perfekt ist und dass sie ständig
verbessert werden muss", heißt es in der [3][Stellungnahme] des
ehrenamtlich arbeitenden Vorstands: "Daraus allerdings zu einem Widerruf
der Vorstandsbestellung aufzurufen, halten wir für ein Signal, das die
Zukunft des Vereins und vor allem die zukünftige Besetzung ehrenamtlicher
Gremien nachhaltig gefährden kann".
Pavel Richter, Geschäftsführer der Geschäftsstelle von Wikimedia in
Deutschland betont, dass nicht die Gründung der Fördergesellschaft selbst
kritisiert wird, sondern nur das Kommunikationsverhalten des Vereins. Die
Einbindung der Mitglieder sei aber nicht notwendig gewesen: "Es handelt es
sich nicht um eine wirkliche strukturelle Änderung, sondern um eine
verwaltungstechnische Konstruktion", erklärt Richter.
Greenpeace für freie Daten
Hintergrund: Wikimedia Deutschland vertritt Wikipedia und deren
Schwesterprojekte in Deutschland nach außen, ist aber rechtlich nicht für
den Betrieb der Online-Enzyklopädie verantwortlich. In der Vergangenheit
hatte der Verein die globale Wikipedia-Bewegung zum Beispiel mit der
Organisation von Konferenzen oder mit dem Aufbau einer Server-Farm in
Amsterdam unterstützt. Seit 2007 leitet die Kanadierin Sue Gardner die
US-Stiftung und begann die vorher chaotische Organisation in eine
schlagkräftige Bewegung, eine Art Greenpeace für freie Daten zu verwandeln.
Derzeit steht zum Beispiel der Aufbau eines Wikimedia-Büros in Indien auf
der Agenda – das Wissen, das bisher vorwiegend in industrialisierten
Ländern gesammelt wurde, soll nun auch weniger entwickelten Ländern zu Gute
kommen. Solche Projekte verlangen jedoch eine zuverlässige Finanzierung.
Mit informellen Absprachen und transatlantischer Projektarbeit wollte sich
die US-Stiftung daher nicht mehr zufrieden geben.
Es geht um viel Geld: [4][12 Millionen Euro] spendeten Wikipedia-Fans bei
der letzten Sammlung, allein zwei Millionen davon kamen aus Deutschland.
Die neu gegründeten Fördergesellschaft organisiert die Kampagne in
Deutschland und rechnet die Spenden ab – die Einnahmen fließen zur Hälfte
in die Geschäftsstelle in Berlin und in die Wikimedia-Zentrale in San
Francisco.
Auch René Schwarz übt keine direkte Kritik an der nun gefundenen Regelung,
dennoch will er den Vorstand für das unabgestimmte Vorgehen abgestrafen.
Folgen hat das kaum: Selbst wenn der Vorstand die Abstimmung verliert, wird
er bis zur nächsten regulären Mitgliederversammlung im Amt bleiben – dort
steht sowieso eine neue Wahl an.
Abstimmung über Vereinsstruktur
Doch nicht nur das Misstrauensvotum steht am Samstag zur Abstimmung, die
angereisten Mitglieder sollen auch über eine neue Vereinsstruktur
entscheiden. Der bisherige Vorstand wird demnach in ein Präsidium
ausgelagert, der Vorstand soll in Zukunft von hauptamtlichen Mitarbeitern
gebildet werden.
Auch hiergegen hat Schwarz Vorbehalte: "Der Satzungsentwurf stellt in
meinen Augen einen riesigen Schritt in die falsche Richtung dar: Er schafft
Strukturen, die über Jahre hinweg den Verein nachhaltig dahingehend
verändern werden, dass er einem Konzern und keiner Community mehr gleicht."
Stattdessen schwebt Schwarz ein basisdemokratischeres Modell vor: "Ein
Verein, der eine Community fördern soll, kann auch nur von einer Community
und nicht von einem 'Aufsichtsrat', Geschäftsführer oder einem Präsidium
geführt werden."
Problem dabei: Schon mit der bestehenden Community der Wikipedia-Autoren
hat der Verein schwer zu kämpfen. Als es in der deutschsprachigen Wikipedia
Ende 2009 wegen der zum Teil rigiden Löschpolitik Streit gabe, [5][hagelte
es Kritik] an Wikimedia Deutschland – obwohl der Verein mit den
Löschentscheidungen nichts zu tun hatte. Mehr tun, als das [6][Geschehen zu
erklären], konnte Pavel Richter nicht.
Die Online-Community der Wikipedianer verbietet sich jede Einmischung von
außen – auch von Wikimedia. Jede Veränderung muss über Monate angekündigt,
diskutiert und abgesegnet werden. Das musste zuletzt auch Wikipedia-Gründer
Jimmy Wales feststellen: als er 2010 einige hundert vermeintlich anstößiger
Bilder löschen ließ, sorgte er für einen Aufstand unter den Wikipedianern
und musste schließlich [7][einige Kompetenzen abgeben].
21 Jan 2011
## LINKS
[1] /1/debatte/kommentar/artikel/1/kostenlos-und-ohne-werbung/
[2] http://wikimedia.de/wiki/Hauptseite
[3] http://meta.wikimedia.org/wiki/Au%C3%9Ferordentliche_Mitgliederversammlung_…
[4] /1/netz/netzkultur/artikel/1/in-your-face-brockhaus/
[5] /1/netz/artikel/1/wikimedia-loescht-im-spendenticker/
[6] /1/netz/artikel/1/ich-sehe-keine-streithaehne/
[7] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Porno-Streit-in-Wikipedia-eskaliert-…
## AUTOREN
Torsten Kleinz
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