# taz.de -- Ausweitung der Patientenrechte: Vom Opfer zum Beteiligten | |
> Die SPD will die Rechte von Patienten ausweiten, damit die sich | |
> effektiver gegen Ärztepfusch wehren können. Ärzte und Krankenhäuser | |
> laufen Sturm dagegen. | |
Bild: OP geglückt? Die SPD will Ärzte für Fehler stärker zur Verantwortung … | |
BERLIN taz | Wer aus der Narkose erwacht und feststellt, dass statt des | |
linken Raucherbeins versehentlich das gesunde rechte amputiert wurde, der | |
hat es vergleichsweise leicht, die Ärzte haftbar zu machen. Bei anderen | |
Fehlern der Ärzte oder des Pflegepersonals - Wundliegen, ungeeignete | |
Medikamentenauswahl oder auch nur mangelnde Aufklärung des Patienten über | |
die Risiken einer Therapie - lässt sich der Nachweis oft schwer erbringen, | |
dass nicht die Grunderkrankung, sondern der Behandlungsfehler für den | |
Schaden ursächlich ist. | |
"Viele Patienten haben zudem das Problem, dass sie gar nicht wissen, wo | |
ihre Rechte verankert sind", kritisierte die SPD-Gesundheitspolitikerin | |
Marlies Volkmer am Dienstag in Berlin. Der Grund: Patientenrechte finden | |
sich derzeit verstreut im Sozialrecht, im Standesrecht, im Zivilrecht, im | |
Strafrecht und im Sicherheitsrecht. Häufig werden sie erst im Fall einer | |
Rechtsprechung konkretisiert. Volkmer: "Für Patienten heißt das, dass sie | |
sich im Zweifel diverse Gerichtsurteile zusammenrecherchieren müssen, um | |
ihre Ansprüche geltend machen zu können." | |
Das soll sich ändern: Die SPD will das geltende Recht in einem neuen | |
Patientenrechtegesetz zusammenführen und hat dazu am Dienstag Eckpunkte | |
vorgestellt. Kernforderung ist, Patienten von Betroffenen zu Beteiligten zu | |
machen. Dazu brauche es eine eindeutige gesetzliche Regelung: "Sie | |
garantiert, dass Patientinnen und Patienten um ihre Rechte wissen, die sie | |
im Streitfall auch durchsetzen können", heißt es dazu in dem Antrag. | |
Ferner will die SPD die ärztliche Dokumentation verbessern. Patienten, | |
Anwälte und Gerichte sollen endlich vollständigen Zugang zu Patientenakten | |
bekommen. Gesetzliche wie private Krankenkassen sollen verpflichtet werden, | |
ihre Versicherten beim Verdacht eines Behandlungsfehlers zu unterstützen. | |
Gerichtliche Verfahren sollen durch enge Fristsetzung und Sanktionierung | |
von Fristversäumnissen beschleunigt werden. In den Gutachterkommissionen | |
und Schlichtungsstellen bei den Ärzte- und Zahnärztekammern sollen | |
Patientenvertreter Stimmrechte erhalten. | |
Zu diesen Forderung soll am Mittwoch eine mehrstündige Expertenanhörung im | |
Gesundheitsausschuss stattfinden. Auch die schwarz-gelbe Regierung will | |
2011 ein Patientenrechtegesetz auf den Weg bringen, hat zu den Inhalten wie | |
zur Ausgestaltung allerdings bislang wenig Konkretes verlauten lassen. Das | |
Büro des Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), | |
teilte mit, "frühestens Mitte Februar" könnten diese Eckpunkte präsentiert | |
werden. | |
Während Patienten- und Verbraucherschutzverbände den Entwurf der SPD bei | |
der Anhörung weitgehend unterstützen wollen, laufen Ärztevertreter Sturm | |
gegen das Ansinnen, ein eigenes Gesetz zu verabschieden. | |
Die Angst vor einer Prozess- und Klageflut ist ebenso groß wie die | |
Ablehnung, Patienten umfassende Einblicke in ihre eigenen Akten zu gewähren | |
und damit vermeintlich ärztliches Geheimwissen preiszugeben. "Diesem Ansatz | |
ist grundlegend zu widersprechen", schreibt die Deutsche | |
Krankenhausgesellschaft (DKG) in ihrer "vorläufigen Stellungnahme". | |
Auch die Bundeszahnärztekammer sieht keinen Bedarf für ein eigenes Gesetz | |
und beteuert, "dass eine Reihe der Forderungen bereits heute mit | |
berufsrechtlichen Mitteln wirkungsvoll sanktioniert werden können". | |
Schätzungen zufolge leiden in Deutschland jährlich bis zu eine Million | |
Menschen unter den Fehlern ihrer Ärzte, nur 40.000 Patienten klagen | |
dagegen. | |
26 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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