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# taz.de -- Ärzte drängen auf bessere Prüfungen: Das Geschäft mit dem Krebs
> Forscher fordern höhere Hürden, bevor die Kassen für neue
> Krebs-Medikamente zahlen. Eine Möglichkeit wären erzwungene und vor allem
> nicht kommerzielle Studien.
BERLIN taz | Avastin erschien wie eine Wunderwaffe gegen Krebs. Das
Medikament der Firma Roche hungert Tumore aus, indem es die Bildung neuer
Blutgefäße unterdrückt. Erst war Avastin nur zugelassen für Darmkrebs. Doch
astronomische Zuwächse, derzeit liegt der Umsatz weltweit bei 4,8
Milliarden US-Dollar, beflügelten den Pharmahersteller zu immer neuen,
wenngleich fragwürdigen Studien: Binnen kürzester Zeit legte Roche Daten
vor, die angeblich belegten, dass der Wirkstoff auch bei Prostata-, Lungen-
und Brustkrebs herausragende Ergebnisse erziele.
Tatsächlich hatten Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, keinerlei
Vorteile durch Avastin: Weder lebten sie länger noch besser. Dafür litten
sie unter extremen Nebenwirkungen. Im Dezember schritten die Behörden ein:
Zur Behandlung von Brustkrebs darf Avastin nun nicht mehr verordnet werden.
"Dieses Beispiel zeigt, dass Arzneimittel zur Krebstherapie oft auf wenig
fundierter Datenbasis zugelassen werden", kritisierte der Vorsitzende der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, am
Mittwoch in Berlin.
Seiner Frustration über die Pharmahersteller, die lediglich "ein Maximum an
Erlösen erzielen" wollten, anstatt "die wesentlichen Fragen zur Versorgung
der Patienten zu beantworten", will Ludwig Sanktionen folgen lassen.
Gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern, die sich zum Gesprächskreis
"Versorgungsqualität in der Onkologie" zusammengeschlossen haben, fordert
er im Anschluss an die Zulassung weiterführende klinische Studien zum
patientenrelevanten Nutzen.
Neu daran: Diese Studien sollen zwingend sein und erstmals
"nichtkommerziell". Und: Erst wenn die Medikamente diese zusätzlichen
Hürden genommen hätten, sollten sie von den Kassen erstattet werden. Das
Gesundheitsministerium, so Ludwig optimistisch, wolle die Forderungen
"prüfen".
Bislang hatten politische wie wissenschaftliche Appelle bloß darauf
abgezielt, die Hersteller zur Offenlegung sämtlicher Studien und Daten zu
bewegen. Mittlerweile ist das Misstrauen gegenüber den "verzerrten
Darstellungen" der Industrie aber so groß, dass man ihr nicht einmal mehr
die weitergehenden Studien überantworten möchte.
Der Grund: Die Bedingungen, unter denen die Hersteller ihre Studien
erstellten, hätten mit dem Alltag in den Kliniken nichts zu tun. "Getestet
wird das Medikament an 40-Jährigen ohne Begleiterkrankungen", schimpft
Ludwig, "gebraucht wird es aber vor allem von alten Patienten, die unter
zahlreichen Krankheiten leiden und eine Vielzahl von Medikamenten
einnehmen."
Nach den Vorstellungen des Gesprächskreises soll künftig zunächst ein von
der Industrie wie von den Krankenkassen unabhängiges Gremium die
verbliebenen relevanten Studienfragen zum jeweiligen Arzneimittel
definieren. Anschließend sollen unabhängige Wissenschaftler, ähnlich wie
denen des National Cancer Institute in den USA, die Studien in
Krankenhäusern durchführen.
Finanziert werden sollen die Untersuchungen aus einem Fonds: Einzahlen
müssten die Industrie, die Kassen, die öffentliche Hand sowie Stiftungen.
Die Hersteller müssten zudem ihr Medikament während der Studie zu einem
"deutlich geringeren Preis" abgeben.
Nötig, so Ludwig, seien auch bessere Rahmenbedingungen an den Unis, wo
unabhängige klinische Forschung einen unzureichenden Stellenwert genieße.
Und auch in den Kliniken seien Veränderungen nötig: "Wir haben ja kaum noch
Zeit, solche klinischen Studien durchzuführen."
20 Jan 2011
## AUTOREN
Heike Haarhoff
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