# taz.de -- Spitzelei in Deuschland: Juristisch zweifelhaft | |
> Durfte der verdeckte Ermittler aus England überhaupt bei uns spitzeln? | |
> Vermutlich nicht, denn es fehlt eine Rechtsgrundlage. | |
Bild: In Heiligendamm beim G-8-Gipfel hat Mark Kennedy auch gespitzelt. | |
BERLIN taz | Es ist nicht generell verboten, dass ausländische verdeckte | |
Ermittler in Deutschland eingesetzt werden. Das EU-Übereinkommen über die | |
Rechtshilfe in Strafsachen sieht den grenzüberschreitenden Einsatz verdeckt | |
ermittelnder Polizeibeamter vor. Wenn ein englischer verdeckter Ermittler | |
in Deutschland tätig werden soll, schließen die beteiligten Regierungen | |
eine Vereinbarung über Einzelheiten, zum Beispiel die Dauer des Einsatzes. | |
Das sieht Artikel 14 des EU-Übereinkommens vor. | |
Ob dieses Rechtshilfe-Übereinkommen im Fall Kennedy anwendbar ist, ist | |
allerdings fraglich. Zwar verwies die Bundesregierung nach einer | |
parlamentarischen Anfrage der Linken auf das Abkommen. Vermutlich ist Mark | |
Kennedy aber nicht zur Strafverfolgung, sondern zur Gefahrenabwehr | |
eingesetzt worden, so dass ein Abkommen über Rechtshilfe bei der | |
Strafverfolgung nicht weiterhilft. | |
Besser passt der Prümer Vertrag über Polizeizusammenarbeit, der 2008 ins | |
EU-Recht übernommen und für alle EU-Staaten verbindlich wurde. Er sieht die | |
Kooperation bei "Großveranstaltungen" vor und dürfte auch die | |
Gefahrenabwehr bei G-8- oder Nato-Gipfeln erfassen. Danach konnte | |
Deutschland ausländische "Beamte, Spezialisten und Berater" zur | |
Unterstützung anfordern. Von verdeckten Ermittlern ist aber nicht die Rede. | |
Ob die bloßen Vereinbarungen zwischen England und Baden-Württemberg sowie | |
England und Mecklenburg-Vorpommern als Rechtsgrundlage genügen, ist auch | |
zweifelhaft. Schließlich fehlt ihnen die parlamentarische Zustimmung, die | |
für Grundrechtseingriffe eigentlich erforderlich ist. | |
Aber selbst wenn der Einsatz des englischen Geheimermittlers an sich legal | |
war, so durfte er in Deutschland jedenfalls keine Straftaten begehen. Auch | |
für ausländische Polizisten gilt in Deutschland das deutsche Recht. Und | |
auch ein deutscher verdeckter Ermittler darf sich nicht strafbar machen. | |
Die Forderung der Polizei, ein verdeckter Ermittler müsse "milieutypische" | |
Delikte begehen dürfen, um nicht aufzufallen, blieb bislang erfolglos. Wenn | |
Mark Kennedy in Deutschland Brandstiftungen und andere Delikte beging, so | |
handelte er auch als Polizeibeamter illegal. | |
Seltsam ist im Übrigen, dass ausländische verdeckte Ermittler in | |
Deutschland rechtlich gar nicht wie verdeckte Ermittler behandelt werden, | |
sondern wie V-Männer. Ein V-Mann ist kein Polizeibeamter, sondern ein | |
Informant aus dem zu überwachenden Milieu, der für Geld Spitzeldienste | |
leistet. Offensichtlich ist ein englischer Polizeibeamter kein V-Mann, soll | |
aber nach Meinung der Bundesregierung dennoch rechtlich so eingestuft | |
werden. | |
In der Antwort auf die Linken-Anfrage beruft sie sich auf eine Aussage des | |
Richters Armin Nack im Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung. In | |
einer Entscheidung von 2007 hat sogar der Bundesgerichtshof (BGH) die | |
Auffassung von Nack bestätigt. Kein Wunder: Das Urteil stammte vom 1. | |
BGH-Strafsenat unter Vorsitz von Nack. | |
Die Folge: Beschränkungen, die für deutsche verdeckte Ermittler gelten, | |
treffen ausländische nicht. Sie dürfen also auch bei weniger schweren | |
Delikten eingesetzt werden. Sie brauchen bei der Strafverfolgung keine | |
richterliche Erlaubnis zum Betreten fremder Wohnungen oder für den | |
gezielten Einsatz gegen konkrete Personen. | |
Es könnte also durchaus attraktiv sein, sich einen verdeckten Ermittler im | |
Ausland "auszuleihen". Wie oft so etwas vorkommt, wollte die Regierung auf | |
Anfrage der Linken aber nicht sagen. | |
28 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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