# taz.de -- Kinostart von "Tron: Legacy": Das große Fluoreszieren | |
> Neon-Ästhetik in größer, bunter, schneller: Die spektakelhafte | |
> Fortführung des legendären Films "Tron" wummert und fiept wie ein ganzes | |
> Achtziger-Jahre-Revival. | |
Bild: Als würde man einem anderen Menschen beim Computerspielen zugucken: Lich… | |
Wer in den Achtzigern hip sein wollte, trank Gin Tonic. Die angesagten Bars | |
waren mit Neonröhren ausgestattet, dazwischen glimmten Schwarzlichtlampen. | |
In dieser fahlen Beleuchtung fluoreszierten die schlanken Gläser so hübsch. | |
Leicht toxisch sah das aus und schön künstlich. Da stand man drauf. | |
Genauso ist dieser Film: fluoreszierende Neon-Ästhetik in größer, | |
schneller, bunter. Neonbars kommen in "Tron: Legacy" vor. Es gibt die | |
waghalsigen Seitenscheitelfrisuren der Achtziger. Der Soundtrack der | |
Neunziger-Band Daft Punk wummert und fiept hier auch ziemlich achtziger. | |
Und ist man erst einmal auf dieser Fährte, kann man auch die | |
Gladiatorenwettkämpfe und Verfolgungsjagden, die den Kern der Handlung | |
ausmachen, als cleane Version der einschlägigen Szenen aus den "Mad | |
Max"-Filmen sehen. Die Lichtfahrzeuge, die sich in "Tron" mit Getöse von | |
den Fahrbahnen drängen, sehen wie High-End-Versionen der | |
zusammengebastelten Schrottkisten aus dem Achtziger-Endzeit-Spektakel aus. | |
"Tron: Legacy" ist eine Fortführung des legendären "Tron"-Films aus dem | |
Jahr 1982, des ersten, in dem Computeranimationen zentral waren. Dass die | |
Macher dieser neuen Disney-Produktion die Ästhetik der frühen achtziger | |
Jahre wieder aufnehmen, ist sogar nachvollziehbar. Die Grundidee der Story | |
besteht ja darin, dass menschliche Figuren – User genannt – auf die | |
digitale Ebene gezogen werden, wo sie auf virtuelle Gegenspieler – die | |
Programme – treffen. Diese virtuelle Welt muss es nach der Eigenlogik der | |
Geschichte also seit fast dreißig Jahren geben. Und inzwischen muss sie | |
sich selbständig weiterentwickelt haben. Daraus ergibt sich in diesem | |
Sequel die New-Wave-Welt, aufgepimpt mit den aktuellen Mitteln der | |
Computeranimation. | |
In der Umsetzung hat das aber etwas Musterschülerhaftes. Der erste | |
"Tron"-Film lebte noch von der Verheißung auf etwas ganz Neues, zuvor nie | |
Gesehenes - mit Tocotronic gefragt: Ist digital vielleicht wirklich besser? | |
Bei "Tron: Legacy" bleibt es aber bei der Überbietung. | |
Am tollsten sind noch die kleinen Stäbe, die man nur auseinanderziehen | |
muss, damit sie sich in rasende Motorräder oder komplexe Luftfahrzeuge | |
verwandeln. Aber so rasant das alles ist, insgesamt sieht es so aus, als | |
würde man einem anderen Menschen beim Computerspielen zugucken – man sieht | |
zwar all das Blinken, hört all das Rasen, hat aber, weil man selbst ja | |
nicht drin ist, wenig Interesse daran, was sich daraus ergibt. Und die | |
Idee, den gealterten Schauspieler Jeff Bridges auf sein jugendliches | |
Ebenbild aus dem ersten "Tron"-Film treffen zu lassen, ist klasse – bleibt | |
aber statisch. Unwillkürlich fragt man sich, was wohl eine Band wie | |
Kraftwerk, die die New-Wave-Künstlichkeit inspirierte, aus den heutigen | |
Möglichkeiten des Computergenerierens gemacht hätte. | |
Dass "Tron: Legacy" ein kalter, distanzierter Spaß bleibt, liegt an | |
zweierlei. Die Vatersuche, die die Rahmenhandlung abgibt, gerät allzu | |
klischeehaft; dass sich hier wirklich Vater und Sohn nach zwei Jahrzehnten | |
wiedersehen – der von Jeff Bridges gespielte Computerpionier Kevin Flynn | |
ist so lange auf der virtuellen Ebene gefangen geblieben –, glaubt man | |
keine Sekunde. Regisseur Joseph Kosinski ist offenbar nie auf den Gedanken | |
gekommen, dass sich auf der Ebene der Programme, wenn sie sich denn schon | |
in Art des Goethe'schen Zauberlehrlings so selbstständig geriert, sich auch | |
solche Errungenschaften wie Humor oder Selbstironie entwickeln könnten. In | |
diesem Film sucht man sie jedenfalls vergeblich. | |
Dabei wäre das doch erst die eigentliche Herausforderung. Dass | |
Computerprogramme beeindruckend blinken können, weiß man. Wenn sie aber | |
menschlicher wären als die Menschen, hätte man eine richtige Geschichte. | |
Sagen wir so: Mit dem Lichtdesigner dieses Films würde man gern mal einen | |
Gin Tonic trinken. Der Drehbuchautor aber hätte in den Eighties bleiben | |
können. | |
28 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
## TAGS | |
Daft Punk | |
Tom Cruise | |
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