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# taz.de -- Folgenreicher Justizirrtum: 17 Jahre zu Unrecht im Knast
> Seit 1994 im Gefängnis, jetzt freigesprochen: Ein Doppelmörder war
> aufgrund seiner Schizophrenie schuldunfähig. Freiheit und
> Haftentschädigung gibt es dennoch nicht.
Bild: Der einzige Lichtblick der vergangenen 17 Jahre.
BERLIN taz | Das Landgericht Chemnitz hat einen 41-jährigen Mann
nachträglich freigesprochen, der 17 Jahre im Gefängnis saß. Der Mann war
1994 wegen eines Doppelmordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt worden. An der Tat des Vietnamesen, der damals zwei Landsleute
grundlos erschossen hatte, bestand zwar kein Zweifel, doch er war, so das
Landgericht in dem Wiederaufnahmeprozess, zum Tatzeitpunkt nicht
schuldfähig.
Der Mann litt an Schizophrenie, und es gebe Hinweise, dass die Krankheit
bereits zum Tatzeitpunkt bestanden habe, stellte die Richterin fest. Die
Erkrankung hatte der Gutachter im ersten Prozess 1995 übersehen. Der
Medizinalrat, der kein Psychiater war, brauchte damals lediglich zwei
Sitzungen, um den Mann zu untersuchen. Bereits am Folgetag war sein
Gutachten fertig.
Zweifel an der Rechtmäßigkeit der damaligen Verurteilung hegte zuerst der
Anwalt des Verurteilten, Arno Glauch. Wie jeder zu einer lebenslangen
Haftstrafe Verurteilte hatte auch der Vietnamese nach 15 Haftjahren
Anspruch auf eine Prüfung auf vorzeitige Freilassung zur Bewährung. Bei der
Prüfung fand Glauch in der Krankenakte seines Mandanten zahlreiche Hinweise
auf eine psychische Erkrankung. Es folgte eine Gutachterschlacht und
schließlich im Oktober die Freilassung des Mannes aus der JVA und seine
Einweisung in eine geschlossene Klinik. Nach dem jetzigen Urteil ist dort
endlich der Weg frei für eine Therapie, die ihm 17 Jahre lang verwehrt
wurde. Schizophrenieerkrankungen gelten als gut behandelbar. Jährlich kann
nun überprüft werden, ob die Unterbringung des Mannes in einer
geschlossenen Klinik noch nötig ist. Im Falle einer erfolgreichen Therapie
ist allerdings noch völlig unklar, ob der Mann seine Freiheit in
Deutschland verbringen darf oder ob er nach Vietnam abgeschoben wird. Er
war 1989 als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Nahezu alle
DDR-Vertragsarbeiter erhielten 1997 ein Bleiberecht. Davon war der Mann
allerdings wegen seiner Straftat ausgeschlossen.
Es kommt nicht oft vor, dass Kapitalverbrechern nachträglich eine
Schuldunfähigkeit bescheinigt wird. Für Sachsen ist das der erste Fall.
Eine Entschädigung für die 17 Haftjahre bekommt der Mann aber nicht.
Verteidiger Arno Glauch befand diese Entscheidung "eines Rechtsstaates
unwürdig".
31 Jan 2011
## AUTOREN
Marina Mai
Marina Mai
## TAGS
Gerichtsverfahren
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