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# taz.de -- Interview zum Volksentscheid Wasser: "Quoren schützen die Herrsche…
> Die Verträge zur Privatisierung der Wasserbetriebe sind längst
> öffentlich. Dennoch sollten die Berliner ihr Recht nutzen und am 13.
> Februar abstimmen, sagt Michael Efler von "Mehr Demokratie".
Bild: Der Preis eines Tropfens: Wer verdient am Berliner Wasser?
taz: Herr Efler, warum soll ich am 13. Februar zum Volksentscheid gehen?
Die Wasserverträge liegen auf dem Tisch, das Ziel ist damit doch erreicht.
Michael Efler: Zum einen wissen wir nicht, ob alles auf dem Tisch liegt.
Deshalb würde ich als Bürger auf Nummer sicher gehen und mit "Ja" dafür
stimmen, dass alles offengelegt wird. Man muss doch sehen, dass sich der
Senat bisher vor allem wegen des Drucks des Volksbegehrens bewegt hat.
Na ja, eher doch, weil die taz die Verträge aufgespürt und veröffentlicht
hat.
Aber hätte sich die taz denn ohne Volksbegehren dafür interessiert? Doch
eher nicht.
Ein anderer Grund hinzugehen ist für Sie wahrscheinlich: aus Prinzip.
In der Tat. Ich bin der Auffassung, dass man seine Mitbestimmungsrechte
wahrnehmen sollte, sowohl das Wahlrecht wie das Abstimmungsrecht. Es ist ja
auch symbolisch wichtig für zukünftige Projekte, wenn es zukünftig um
Konzessions- oder S-Bahn-Verträge geht. Und es könnte auch ein Signal
gesetzt werden für die Rekommunalisierung von Unternehmen der öffentlichen
Daseinsvorsorge.
Dummerweise haben sich selbst bei den hoch kontroversen Themen Tempelhof
und Pro Reli nicht genug Leute beteiligt, damit die Volksentscheide gültig
gewesen wären. Umso weniger dürfte das jetzt bei den Wasserverträgen der
Fall sein.
Das Problem ist, dass in Berlin Volksentscheide nur gültig sind, wenn 25
Prozent der Wahlberechtigten zugestimmt haben. Wir sind dafür, dieses
Quorum abzuschaffen. Der Volksentscheid in Bayern zum Rauchverbot
beispielsweise wäre in Berlin an zu geringer Zustimmung gescheitert. Ich
finde es nicht nachvollziehbar, dass Leute sich eineinhalb, zwei Jahre
zivilgesellschaftlich engagieren, sogar eine große Mehrheit für ihr
Anliegen bekommen und dann hören: "April, April, es gilt nicht." Diese
Quoren sind Schutzmechanismen der politisch Herrschenden.
Man kann sie auch anders sehen: als Schutzmechanismen für
Repräsentativität. Sonst könnte es doch dazu kommen, dass ein ganz kleiner
engagierter Kreis dem Rest seine Sicht der Welt aufdrängt.
Die anderen könnten doch zur Abstimmung hingehen, wenn sie wollen - dieses
Recht nimmt ihnen keiner. Auf Bezirksebene macht ein Quorum beim
Bürgerentscheid sogar noch weniger Sinn, weil häufig nur einzelne Kieze
oder Stadtteile von einem Thema betroffen sind. Auch Bundestags- oder
Landtagswahlen werden von den aktiven Wählern entschieden. Wir haben
außerdem keine Wahlpflicht in Deutschland, und das ist auch gut so - denn
überall, wo es sie gibt, wird sie nicht durchgesetzt.
Das Problem bleibt doch.
Anders als bei Wahlen geht es aber bei Volksentscheiden nicht um eine
politische Richtungsentscheidung, sondern um eine einzige konkrete
Sachfrage, von der nicht alle betroffen sein müssen: Nicht alle haben etwa
Kinder und interessieren sich deshalb für Schulthemen.
Kritiker sagen: Die parlamentarische Demokratie wird ausgehöhlt, wenn immer
mehr Entscheidungen in Volksabstimmungen fallen.
Das Parlament beschließt Hunderte von Dingen in einer Wahlperiode -
Volksentscheide gab es seit 2006 in Berlin genau zwei Mal. Es wird auch
ohne Quorum bei einer repräsentativen Demokratie bleiben, die dann aber
kraftvoll ergänzt wird. Langfristig profitiert die parlamentarische
Demokratie sogar von mehr direkter Demokratie, weil die politischen
Entscheidungen stärker den Präferenzen der Bürger entsprechen und nicht
mehr so einfach über "die da oben" geschimpft werden kann.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat mal laut darüber
nachgedacht, dass der Senat selbst Dinge zur Abstimmung stellt. Bisher
richten sich Volksbegehren immer nur gegen die Regierung.
Wir diskutieren das gerade bei uns im Verein und werden uns in Kürze dazu
positionieren. Ich bin grundsätzlich dafür, dass man das Spektrum und das
Verfahrensinstrumentarium der direkten Demokratie erweitert. Aber man muss
schauen, wie man das ausgestaltet. Direkte Demokratie darf jedenfalls kein
Instrument derjenigen werden, die ohnehin schon über Macht verfügen. Sonst
könnte es Missbrauch geben, zum Beispiel durch eine suggestive
Fragestellung.
Wieso, die geht doch vorher noch durchs Parlament?
Das ist nicht zwingend gewährleistet. In Frankreich etwa kann der
Staatspräsident selbst ein Plebiszit ansetzen und die Fragestellung
formulieren. Das halte ich für wirklich problematisch. Nehmen Sie mal als
Beispiel die Bürger-Abstimmung über die Gestaltung des Gendarmenmarkts
vergangene Woche: Da waren viele enttäuscht darüber, dass gar nicht über
den ganzen Platz, sondern nur über einen Teil abgestimmt wurde.
Als die CDU vor einiger Zeit eine Volksbefragung zur A 100 vorgeschlagen
hat, haben Sie sich dagegen gewandt.
Weil völlig klar ist, dass die CDU vor den Abgeordnetenhauswahlen ein Thema
sucht, mit dem sie sich profilieren kann. Sie will dieses Thema genau am
Wahltag zum Gegenstand einer Volksbefragung machen und dadurch ihre
Wählerschaft mobilisieren. Dies würden wir im Übrigen auch bei jeder
anderen Partei kritisieren.
Aber warum nicht eine für fünf Jahre gültigen Wahlentscheidung von einem
großen Streitthema entfrachten und darüber separat abstimmen lassen?
Ja, aber warum am Tag der Wahl?
Aus praktischen Gründen - so wie 2009 die Pro-Reli-Initiative vergeblich
danach gerufen hat, den Volksentscheid mit der Europawahl zu koppeln.
Der Termin ist nur das eine. Völlig inakzeptabel ist, dass hier die
Bevölkerung zu einem Thema direkt befragt werden soll, während alle anderen
Initiativen - Wasserverträge, Pro Reli, Tempelhof - den langen,
dreistufigen Prozess der Volksgesetzgebung gehen und viele Unterschriften
sammeln mussten. Warum soll jetzt der CDU ein Thema auf dem Silbertablett
serviert werden?
Weil es juristisch gesehen keine Gleichheit im Unrecht gibt, und es
schlicht eine politische Gewichtung wäre, über die A 100 abstimmen zu
lassen und über anderes nicht.
Wo liegt denn hier ein Unrecht vor? Es gibt bisher in Berlin keine
Möglichkeit für Volksbefragungen. Wer dieses - im Übrigen unverbindliche -
Instrument einsetzen will, müsste zunächst einen Rechtsrahmen dafür
schaffen. Direkte Demokratie heißt nicht, dass die Parteien ihre
Lieblingsthemen unverbindlich den Bürgern vorlegen können. Wer eine
Volksabstimmung über die A 100 will, muss sich wie alle anderen auch auf
die Straße stellen und Unterschriften sammeln.
Bei der Bürger-Abstimmung zum Umbau des Gendarmenmarktes sollten die
Teilnehmer kürzlich erst eineinhalb Stunden Information - oder Agitation -
über sich ergehen lassen. Bei einer Bundestagswahl kontrolliert an der Urne
doch auch keiner, ob man Parteiprogramme gelesen hat.
Das kann man doch nicht vergleichen.
Warum nicht?
Weil die Wahl eine verbindliche Form der Mitbestimmung ist. Hier ging es um
eine Bürgerversammlung.
Viele wollten aber einfach nur abstimmen, die sahen das als Bevormundung.
Das sehe ich nicht so, dann muss man eben ein bisschen warten. Beim
Wasser-Volksentscheid gibt es doch mit der Abstimmungsbenachrichtigung auch
ein Begleitschreiben mit den Argumenten …
… das oft gleich in den Papierkorb wandert.
Natürlich hat man keine Gewissheit, dass das auch alle lesen, aber viele
werden es tun. Ich finde das gewählte Verfahren beim Gendarmenmarkt sogar
viel besser, als wenn man nur im Internet eine Abfrage gemacht hätte für
oder gegen die Bäume.
Wie stehen Sie denn generell zu Internet-Voten?
Das Internet ist ganz wichtig für politische Vernetzung und die Herstellung
von Transparenz staatlichen Handelns. Von Internet-Abstimmungen halte ich
aber nicht viel. Erstmal muss ein Wahl- oder Abstimmungsverfahren sicher
sein, und das ist es noch nicht. Zum zweiten kann man das nur ergänzend
machen, sonst würde man die ausschließen, die keinen Zugang zum Internet
haben. Das dritte ist eher ein kultureller Aspekt: Ich finde es schon einen
Wert an sich, dass man sich zu einer Abstimmung auch räumlich hinbemüht.
Was ist daran kulturell?
Sich am Sonntag ins Wahllokal aufzumachen, das Kreuzchen zu machen, dem
Wahlvorstand die Hand zu schütteln - das hat einen Gemeinschaftsaspekt. Da
sieht man, man ist Teil einer wichtigen Prozesses. Einfach nur im Internet
rumklicken: Da fehlt was.
1 Feb 2011
## AUTOREN
Stefan Alberti
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Ginge es nach SPD und Linkspartei, hätten Arbeiter in der Firma mehr zu
sagen. Ob die Sozialdemokraten auch als Regierungspartei danach handeln
werden?
Werbung für den Volksentscheid zu Wasserbetrieben: Eine Frage des Prinzips
Am Sonntag stimmen die Berliner über die Offenlegung der Wasserverträge ab.
Die sind zwar weitgehend bekannt. Doch für viele Bürger geht es um mehr: um
ein Votum für die staatliche Daseinsvorsorge
Schon 133.000 Briefwahlanträge zum Volksentscheid: Wasserentscheid läuft
Am kommenden Sonntag stimmen die Berliner über die Offenlegung der
Wasserverträge ab. Die hohe Zahl der Briefwähler lässt die Aktivisten
hoffen.
Parteien zum Volksentscheid: Am Wasser scheiden sich die Geister
Grüne empfehlen, mit Ja zu stimmen. Linkspartei, SPD und CDU sind
skeptisch.
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