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# taz.de -- Prozess gegen Geert Wilders: Erst hetzen und dann noch gewinnen
> Medienkampagne gratis: Ab Montag wird in Amsterdam wieder gegen den
> Rechtspopulisten Geert Wilders verhandelt. Es ist die Neuauflage einer
> juristischen Farce.
Bild: Blondgefährlich: Geert Wilders.
Für den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders läuft es bestens.
Er steht nämlich ab Montag vor Gericht. Angeklagt ist er wegen
Volksverhetzung, was ihm gratis eine Medienkampagne liefert. Kostenlose
Werbung benötigt Wilders dringend, denn Anfang März finden in den
Niederlanden Regionalwahlen statt.
Geert Wilders verdankt seinen Aufstieg zwei Thesen, die er in steter
Wiederholung vorträgt. Erstens: Der Islam sei keine Religion, sondern eine
totalitäre und gewalttätige Ideologie - vergleichbar mit dem Kommunismus
und Faschismus. Zweitens, dazu passend: Der Koran sei noch schlimmer als
Hitlers "Mein Kampf". Das Gericht soll nun klären, ob diese Attacken den
Tatbestand der Fremdenfeindlichkeit erfüllen.
Der Prozess gegen Wilders war von Beginn an kurios. Die Staatsanwaltschaft
ist für einen Freispruch. Ihre recht eigenwillige Begründung lautet:
Wilders ziele auf den Islam, nicht aber auf die Muslime. Dennoch kam das
Verfahren in Gang, weil Einzelkläger auftraten, die Gehör beim Amsterdamer
Gerichtshof fanden. Der Rest ist die Geschichte eines Flops: Eigentlich
wurde das Urteil schon im November erwartet, doch im Oktober platzte der
Prozess, weil das Gericht von einer Berufungskammer für befangen erklärt
wurde.
Der Anlass für diese Rüge ist eher bizarr, sagt aber viel über die kleinen
Niederlande aus, wo jeder jeden kennt. Die Hauptperson in diesem
juristischen Chaos ist der niederländische Islamwissenschaftler Hans
Jansen, der von Wilders Verteidigung als Zeuge benannt wurde. Die erste
Runde seiner Aussagen verlief noch erwartungsgemäß. Jansen attestierte dem
Islam, dass er nur darauf sinne, Europa und den Rest der Welt kriegerisch
zu erobern. Das gebiete zwingend der Koran. Man verstand, warum sich
Wilders diesen umstrittenen Arabisten als Zeugen ausgesucht hatte.
Doch gerade weil sich Jansen strikt an seine vorgesehene Rolle hielt, wären
seine Aussagen im Prozess wohl verhallt. Nützlich für Wilders wurde der
Arabist erst, als er ausplauderte, dass er einen der zuständigen Richter
bei einem privaten Essen in Amsterdam getroffen habe - drei Tage vor seiner
Zeugenaussage. Bei diesem Dinner habe man sich auch über den
Wilders-Prozess unterhalten.
Sofort ging Wilders Verteidigung zum Angriff aufs Gericht über - es wollte
Jansen ein zweites Mal als Zeugen laden. Diesmal sollte es nicht mehr um
den Islam gehen, sondern nur noch um das Dinner und die Frage, ob der
Richter etwa versucht hatte, den Arabisten zu beeinflussen. Das Gericht
untersagte diese zweite Befragung, woraufhin der Antrag auf Befangenheit
eingereicht wurde. Mit Erfolg.
Da nutzte es auch nichts mehr, dass Jansen in Medieninterviews beteuerte,
niemand habe ihn bei diesem Essen beeinflussen wollen. Was wohl schon
deswegen zutreffen dürfte, weil Jansen für seine eitle Selbstgerechtigkeit
bekannt ist. Argumenten anderer ist er gar nicht zugänglich - zumal wenn es
um den angeblich kriegerischen Islam geht.
Gerade zur rechten Zeit
Der Prozess samt Dinneraffäre hat bleibenden Schaden hinterlassen, denn er
passt perfekt in Wilders Gesamtinszenierung. "Er kann sich erneut als das
Opfer einer linken Elite in Amsterdam präsentieren, die ihn mundtot machen
will", sagt Koen Haegens vom Wochenmagazin De Groene Amsterdammer. Nun wird
das Verfahren also wieder aufgenommen, und Wilders kann sich nationaler
Aufmerksamkeit sicher sein. Schon in der ersten Runde war sein Prozess ein
gigantisches Medienereignis. Die Verhandlung wurde live im Staatsfernsehen
übertragen und in Spitzenzeiten von fast 500.000 Niederländern verfolgt.
Dabei hat das Land nur 16 Millionen Einwohner. Da kommt nicht mal Stuttgart
21 mit.
Für Wilders kommt der Prozess gerade zur rechten Zeit, Anfang März sind die
Regionalwahlen zu bestehen - und hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass
er gar nicht genug brauchbare Kandidaten hat, um in allen Landesteilen
erfolgreich anzutreten. Denn noch immer ist Wilders Partei für die Freiheit
(PVV) eine Ein-Mann-Partei, deren einziges Mitglied ihr Vorsitzender ist.
"Durch den Prozess braucht Wilders keine Leute mehr, die Plakate kleben",
sagt Haegens. "Er hat ja jetzt trotzdem eine große Kampagne."
Schon bei den landesweiten Parlamentswahlen im Juni 2010 erhielt die PVV 24
von 150 Sitzen und wurde damit zur drittstärksten Partei. Bei den
Regionalwahlen ist nicht ausgeschlossen, dass der Zuspruch noch größer sein
wird. In Umfragen liegt die PVV inzwischen bei fast zwanzig Prozent der
Stimmen, damit hat sie selbst die Christdemokraten überholt. Für Wilders
hat es sich bisher ausgezahlt, dass er nach den Parlamentswahlen auf einen
Ministerposten verzichtet hat und die Minderheitenregierung der
christdemokratischen CDA und der rechtsliberalen VVD nur duldet. So kann er
bequem auf Opposition schalten, wann immer es ihm nützlich scheint.
Manchen gilt Wilders als der "heimliche Ministerpräsident". Fassbare
Erfolge hat die PVV jedoch bisher nicht vorzuweisen. "Nur der
fremdenfeindliche Ton hat sich verschärft", beobachtet Haegens. Ansonsten
herrsche politische Kontinuität. Die Entwicklungshilfe zum Beispiel habe
auch in den vergangenen Jahren vor allem den Wirtschaftsinteressen der
Niederlande gedient. "Aber jetzt wird das auch explizit gesagt."
Schuldig? Auch gut
Wie immer der Prozess ausgeht: Wilders wird gewinnen. Kommt es zum
Freispruch, kann er einen Sieg über das "Establishment" feiern. Wird er
verurteilt, ist das für seine Anhänger nurmehr der endgültige Beweis, dass
er Opfer einer linken Elite ist, die seine unbequemen Wahrheiten
unterdrücken will. Koen Haegens findet deshalb wie die meisten seiner
niederländischen Kommentatorenkollegen: "Man muss Wilders politisch, nicht
juristisch bekämpfen."
4 Feb 2011
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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