# taz.de -- Unmut in Saudi-Arabien: Eine Stunde der Wut, höchstens | |
> Vereinzelte Proteste, zwei Facebook-Gruppen - auch in der | |
> erzkonservativen Ölmonarchie Saudi-Arabien regt sich Widerstand. Wenn | |
> auch sehr zaghaft. | |
Bild: Der Scheich ist reich. Und die saudi-arabische Bevölkerung? | |
RIAD taz | Es hört sich bekannt an: Die Preise für Nahrungsmittel sind | |
gestiegen, ein Mann übergießt sich mit Benzin und zündet sich an, es kommt | |
zu Protesten. All diese Dinge sind in den vergangenen Wochen auch in | |
Saudi-Arabien passiert. Grund genug zu erwarten, dass dem weltgrößten | |
Erdölexporteur Massenproteste bevorstehen? Wie überall im Nahen Osten sind | |
die Preise für einige Grundnahrungsmittel in Saudi-Arabien in den | |
vergangenen Monaten angestiegen. Grund dafür sind die schwachen Ernten | |
weltweit im vorigen Jahr und die steigende Nachfrage in Schwellenländern. | |
Schon am 24. Januar übergoss sich ein Mann in der Nähe von Dammam, einer | |
Hafenstadt am Persischen Golf, mit Benzin und zündete sich an. Um zu | |
verhindern, dass dies als Fanal verstanden wird, beeilte sich die lokale, | |
von der saudischen Königsfamilie kontrollierte Presse zu vermelden, dass | |
die Ärzte, die sein Leben retteten, Zeichen einer Geisteskrankheit bei ihm | |
festgestellt hätten. | |
Nach einer Flut in Dschidda demonstrierten ein paar Dutzend Leute im | |
Stadtzentrum und wurden sofort von der Polizei festgenommen. In Ermangelung | |
eines funktionierenden Abwassersystems kamen schon im vorigen Jahr bei | |
einer Flutkatastrophe nach offiziellen Angaben 109 Menschen um. | |
Am Samstag schließlich demonstrierten rund 40 Frauen, begleitet von schwer | |
bewaffneter Polizei, vor dem Innenministerium in Riad gegen die | |
willkürliche Inhaftierung ihrer Männer, Brüder und Söhne. Der | |
Nachrichtenagentur Reuters sagte danach ein Mitarbeiter des | |
Innenministeriums, der anonym bleiben wollte, dass die Frauen die | |
Freilassung ihrer Verwandten gefordert hätten, die als mutmaßliche | |
Al-Qaida-Angehörige festgenommen worden seien. Die Regierung gewähre den | |
Familien finanzielle Unterstützung, solange die Männer inhaftiert seien. | |
Wenn es auch bisher keine von Ägypten inspirierten Demonstrationen gab, | |
äußern einige Saudis im Internet jedoch offen ihre Sympathie mit den | |
Protesten dort. Vor allem auf Twitter, das Anonymität gewährt, fallen viele | |
Beiträge deutlich aus. Der User @baloot zum Beispiel schreibt: "Wo ist | |
Mubarak jetzt? Wenn er in seinem Palast ist, sollte ihn die ganze Nation an | |
den Ohren herausziehen. Er ist völlig nutzlos. Wir haben andere Sachen zu | |
erledigen und müssen andere Diktatoren loswerden. Es gibt nur wenig Zeit." | |
Ermutigt von den Protesten in Tunesien und Ägypten gibt es inzwischen auch | |
zwei saudische Facebook-Kampagnen. Unter dem Motto "Die Leute wollen die | |
Reform des Regimes" fordern die Aktivisten dort eine konstitutionelle | |
Monarchie, freie Wahlen und den Schutz der Menschenrechte. Bisher haben | |
jedoch weniger als 300 Unterstützer unterzeichnet. Und nach dem Vorbild des | |
"Tags der Wut" in Kairo ruft eine zweite Kampagne unter dem Motto "Eine | |
Stunde der Wut" für Freitag, den 25. Februar in der Hauptstadt Riad zu | |
einer Demonstration auf. | |
Doch nur wenige sprechen solche Forderungen öffentlich aus. Typisch scheint | |
der 23-jährige Suleiman. Er macht eine Ausbildung an einer Berufsschule in | |
Riad zum Fernmeldetechniker. Er will nur seinen Vornamen nennen. Wie viele | |
Saudis verfolgt er die Proteste in Ägypten im Satellitenfernsehen. Er sagt: | |
"Die Leute in Ägypten haben recht. Mubarak ist ein Dieb. Es ist höchste | |
Zeit, dass er geht." | |
Auf die Frage, ob solche Massenproteste wie in Ägypten auch in seinem Land | |
möglich seien, muss Suleiman jedoch lachen, so absurd kommt ihm die Frage | |
vor. "Warum sollten wir demonstrieren? Wir haben doch alles." Und ein | |
Kommilitone fügt hinzu: "Bei uns ist so etwas nicht möglich. Der | |
Geheimdienst verhaftet dich, und du siehst für lange Zeit kein Licht." | |
Der Rechtsanwalt Tarik, der ebenfalls nur seinen Vornamen nennen will, | |
sieht das ähnlich: "Unsere Gesellschaft ist viel religiöser als die | |
ägyptische. Bei uns machen die Leute, was die Prediger ihnen sagen. Und die | |
stehen fest hinter der Königsfamilie." | |
8 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Peter Böhm | |
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