# taz.de -- Erneute Gewalt in Tunesien: Militär zieht Reservisten ein | |
> Das tunesische Verteidigungsministerium beruft frühere Mitglieder der | |
> Armee, um die Lage zu stabilisieren. Außerdem verabschiedete das | |
> Parlament ein Notstandsgesetz. | |
Bild: Sie sollen Unterstützung kriegen: tunesische Militärs vor dem Parlament. | |
TUNIS rtr | Nach dem Wiederaufflammen der Gewalt in Tunesien hat die | |
Übergangsregierung Reservisten einberufen, um Sicherheit und Ordnung | |
wiederherzustellen. Frühere Mitglieder des Heeres, der Luftwaffe und der | |
Marine sollten sich bei der nächstgelegenen Rekrutierungsstelle melden, | |
teilte das Verteidigungsministerium mit. | |
Das Innenministerium ermahnte aus dem Dienst geflohene Polizisten, ihre | |
Arbeit wieder aufzunehmen. Andernfalls würden sie ihren Job verlieren. Das | |
Parlament billigte am Dienstag zudem ein Notstandsgesetz, mit dem | |
Übergangspräsident Fouad Mebazza per Dekret regieren kann. | |
Drei Wochen nach dem Sturz von Präsident Zine al-Abidine Ben Ali hat die | |
Gewalt in Tunesien in den vergangenen Tagen wieder zugenommen. Bei | |
Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften wurden seit | |
Freitag in kleineren Städten mindestens fünf Menschen getötet. In der Stadt | |
El-Kef zündeten Randalierer dabei auch mehrere Gebäude an. | |
In den vergangenen Wochen hatte vor allem das Militär für Ordnung in den | |
Straßen gesorgt, auch weil viele Tunesier in der Polizei ein Werkzeug der | |
Unterdrückung sehen. Nach dem Sturz des früheren Machthabers Ben Ali | |
verweigern zudem zahlreiche Polizisten ihren Dienst. | |
Vor der Abstimmung im Parlament über das Notstandsgesetz warb | |
Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi für die erweiterten Machtbefugnisse | |
des Übergangspräsidenten. Die Möglichkeit, per Dekret zu regieren, sei | |
wichtig, damit Mebazza schnell auf die sich ändernden Verhältnisse im Land | |
reagieren könne. Über die weiteren Schritte der Regierung wollte sich am | |
Dienstag auch der britische Außenminister William Hague bei Gesprächen in | |
Tunis informieren. Er ist der ranghöchste Besuch eines westlichen | |
Politikers seit dem Sturz Ben Alis. | |
Tunesien hat die Europäische Union um Hilfe beim Übergang gebeten. Die | |
europäische Staatengemeinschaft arbeite auf Bitten der tunesischen | |
Regierung derzeit an konkreten Plänen zur Stabilisierung der Lage, erklärte | |
EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle in der marokkanischen Hauptstadt | |
Rabat. Sie erwäge außerdem ein ähnliches Paket mit Hilfsmaßnahmen für | |
Ägypten. | |
8 Feb 2011 | |
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