# taz.de -- Hartz IV wird weiter vermittelt: Auf in die nächste Runde | |
> Mit letzter Kraft haben sich die Bundesländer auf ein neues | |
> Vermittlungsverfahren für Hartz IV geeinigt - eine Lösung könnte dann vor | |
> März erreicht werden. | |
Bild: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen im Bundesrat. | |
Der Mann, von dem der Vorstoß ausgegangen war, kommt mit dem entscheidenden | |
Zettel in der Hand aus dem Sitzungssaal des Bundesrates. Es ist | |
Freitagmorgen, zehn Uhr. Auf der Vorderseite der neue Antragsentwurf, die | |
Suche nach dem Kompromiss. Auf der Rückseite hat Kurt Beck die Kürzel der | |
einzelnen Bundesländer mit Kugelschreiber untereinander aufgeschrieben. | |
Dahinter 16-mal ein +. Alle würden dem Vorschlag des rheinland-pfälzischen | |
Ministerpräsidenten folgen und ein neues Vermittlungsverfahren für die | |
Reform von Hartz IV beantragen. Immerhin ein bisschen Einigkeit nach Wochen | |
des Streits, der am Dienstag mit dem Scheitern der Gespräche seinen | |
Höhepunkt fand. | |
Mit der Einigung auf den neuen Anlauf konnte im letzten Moment verhindert | |
werden, dass die Reform am Freitag vom Bundesrat abgelehnt wurde. Dies wäre | |
geschehen, weil sich Regierungs- und Oppositionsvertreter in den | |
entscheidenden Punkten, der Höhe des Regelsatzes und der Frage der gleichen | |
Bezahlung bei gleicher Arbeit in der Leiharbeit ("Equal Pay") nicht einigen | |
konnten. Die Regierung wollte die Regelsätze um 5 Euro auf 364 Euro erhöhen | |
- der Opposition war das zu wenig. Für Leiharbeiter forderte die SPD | |
gleiche Bezahlung nach vier Wochen. Insbesondere die FDP wollte diese erst | |
nach neun Monaten zugestehen. Die Neuregelung war nötig geworden, weil das | |
Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Sätze in der aktuellen Form für | |
rechtswidrig erklärt hatte. | |
Am Freitag sah es dann zunächst so aus, als würden die beiden Bruchstellen | |
für die nächsten Verhandlungen aus dem Weg geräumt werden. Vor den Kameras | |
erklärte Kurt Beck, seinen Konsenszettel gefaltet in den Händen haltend, | |
dass "kritische Dinge vor die Klammer" gestellt werden sollten. So sei | |
Equal Pay zwar nach wie vor wichtig für die SPD, allerdings sei fraglich, | |
"ob man dies im Rahmen der Verhandlungen durchsetzen muss". In Becks | |
Antragsentwurf war zudem festgehalten worden, dass über Sonderbedarfe für | |
Hartz-IV-Empfänger verhandelt werden solle. Beck betonte, es gehe um "eine | |
demokratische Aufgabe". Aus SPD-Kreisen hieß es später, über Regelsätze und | |
Equal Pay solle weiter mit verhandelt werden: "Über Sonderbedarfe zu | |
verhandeln, bedeutet nicht, dass wir den Regelsatz außen vor lassen", hieß | |
es. | |
Im Bundesrat betonte Beck, die Politik insgesamt werde Schaden nehmen, wenn | |
keine Lösung gefunden werde. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen freute | |
sich darüber, dass der "Ton der Vernunft" wieder eingekehrt sei. | |
Noch kurz zuvor war besonders an der starren Haltung der FDP in den | |
Verhandlungen auch innerhalb der Regierungsparteien Kritik aufgekommen. Wer | |
wie die FDP eine gleiche Bezahlung für Leiharbeiter erst nach neun Monaten | |
wolle, sei entweder "böswillig oder hat keine Ahnung", sagte der | |
CDU-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann. | |
Schleswig-Holsteins Sozialminister Heiner Garg (FDP) forderte von seinem | |
eigenen Parteichef Guido Westerwelle "einen mutigen Schritt", um doch noch | |
zu einem Konsens in den strittigen Fragen zu gelangen. | |
In der kommenden Woche soll nach Aussage Kurt Becks nun eine kleine Gruppe | |
von Spitzenpolitikern aus Regierung und Opposition aus Bund und Ländern das | |
weitere Vorgehen abstecken. Dabei geht es vor allem um den Korridor für die | |
nächste Verhandlungsrunde. Ob mit einem Bundesratsbeschluss im März zu | |
rechnen sei, wollte ein Journalist wissen, als Beck aus dem Bundesrat kam. | |
"Vielleicht schaffen wir es", sagte Beck, "das Ding vorher durchzustemmen". | |
11 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Gordon Repinski | |
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