# taz.de -- Hartz IV-Debatte: Beck irritiert die SPD | |
> Jetzt sollen die Ministerpräsidenten einen Kompromiss finden. Die SPD ist | |
> nur begrenzt glücklich über die Forschheit von Kurt Beck. Linke: "Die SPD | |
> kapituliert". | |
Bild: Kurt Beck warnt, dass er sich einen Kompromiss "nicht kaputtreden lassen"… | |
BERLIN taz | Eigentlich sollte an diesem Wochenende mal Ruhe in Sachen | |
Hartz IV herrschen. Am Freitag hatten die Ministerpräsidenten, allen voran | |
Kurt Beck (SPD), das Scheitern der Verhandlungen zwischen Rot-Grün und | |
Schwarz-Gelb in letzter Minute verhindert. Doch es herrscht noch immer | |
nervöse Spannung. Umstritten ist, wer nun worüber verhandeln wird. Der | |
Zwist läuft nicht nur zwischen, sondern auch in den Parteien. | |
Für Irritationen in der SPD sorgt derzeit Kurt Beck. Per Bild am Sonntag | |
verkündete er, dass nun "die Ministerpräsidenten verhandeln werden". Zwar | |
fügte Beck hinzu, dass die Fraktionen und Parteien eingebunden werden | |
sollten - aber die Stoßrichtung ist klar. Die bisherigen Schlüsselfiguren, | |
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und | |
Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD), werden an | |
den Rand gedrängt. Beck will mit Unions-Politikern, vor allem CSU-Chef | |
Horst Seehofer und dem Magdeburger CDU-Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer, | |
rasch einen Kompromiss finden, dem niemand widersprechen kann. | |
Der Druck, sich zu einigen, ist nach dem Manöver am Freitag größer als | |
zuvor. Wer in der öffentlichen Wahrnehmung als derjenige gilt, der die | |
allerletzte Chance für einen Kompromiss verspielt, riskiert politisch viel. | |
Dienstag oder Mittwoch wollen die Ministerpräsidenten verhandeln. | |
"Seehofer, Böhmer und ich haben uns in die Hand versprochen, die Ergebnisse | |
nicht kaputtreden zu lassen", so Beck. Will sagen: auch nicht von der SPD. | |
Schon am 1. März, so Beck, könne die Einigung beschlossen werden. | |
Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), der bisher in den | |
Verhandlungen nicht hervorgetreten ist, wollte da nicht abseits stehen und | |
kündigte forsch an, dass Hartz IV "in den nächsten zehn Tagen vom Tisch" | |
sei. | |
In der SPD ist man nur begrenzt glücklich, wie entschlossen Beck die | |
Verhandlungen an sich zieht. Zwar betont man in Parteikreisen, dass Beck | |
stets in die Verhandlungsführung von Manuela Schwesig eingebunden und seine | |
Bundesrat-Initiative mit SPD-Chef Sigmar Gabriel abgesprochen war. Aber die | |
SPD will keinesfalls auf Schwesig verzichten. Die Landesministerin hat man | |
aus SPD-Sicht erfolgreich als Sympathieträgerin gegen Ursula von der Leyen | |
aufgebaut. "Es wäre Selbstmord", so ein SPD-Mann, "wenn wir sie nun | |
zurückziehen würden." Darauf läuft Becks Plan aber hinaus. | |
Noch wichtiger ist, wie weiter verhandelt wird. Sigmar Gabriel und Manuela | |
Schwesig betonten, dass es keine Tabus geben dürfe. Die SPD werde, so die | |
Botschaft, nur ohne Vorbedingungen weiter über alles verhandeln: einen | |
höheren Regelsatz als 364 Euro, die Finanzierung des Bildungspakets, über | |
Equal Pay für Leiharbeiter und Mindestlohn für Wachdienste und die | |
Weiterbildungsbranche. Kurt Beck hingegen hatte angedeutet, dass Equal Pay, | |
von der FDP vehement blockiert, aus den Verhandlungen herausgelöst werden | |
könnte. Kurzum: Beck will auf Grundlage des Unstrittigen möglich schnell | |
Kompromisse in eng begrenzten Bereichen suchen. Gelingt Beck dies, wird ihm | |
das beim Wahlkampf in Rheinland-Pfalz helfen. | |
Die Bundes-SPD fürchtet jedoch, dass bei diesem Verfahren der Regelsatz bei | |
364 Euro bleibt - und nur noch, wie die Union es will, über | |
Zusatzleistungen für Hartz IV-Empfänger wie Monatstickets für den | |
öffentlichen Nahverkehr oder mehr Zuschüsse für Kühlschränke oder | |
Waschmaschinen verhandelt wird. Rot-Grün fordert hingegen einen Regelsatz | |
von 370 Euro. Die Höhe des Regelsatzes dürfte nach wie vor der Knackpunkt | |
sein. Schwarz-Gelb und Rot-Grün glauben, dass Sieg und Niederlage in diesem | |
Zwist in der öffentlichen Wahrnehmung an der Frage hängen, ob der Satz bei | |
364 Euro oder höher liegen wird. | |
Kritik an Becks Initiative äußerte die Linkspartei. Die Vize-Parteichefin | |
Katja Kipping hält seinen Kompromisskurs für "die Kapitulation der SPD vor | |
der Aufgabe, einen verfassungskonformen Regelsatz durchzusetzen". Die | |
Linkspartei ist wie die SPD der Ansicht, dass von der Leyen den Regelsatz | |
mit Tricks künstlich auf 364 Euro heruntergerechnet hat. Schwesig sagte im | |
Deutschlandfunk, dass ein korrekt berechneter Regelsatz "weit über 400 Euro | |
liegen" müsste. Becks Rolle, so Kipping zur taz, sei es, "die SPD auf den | |
Kurs der Union" zu bringen. | |
14 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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