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# taz.de -- Korruption in Indien: Der Anfang vom Ende der Ära Singh
> Premier Singh stimmt einem Untersuchungsausschuss zur Korruption zu.
> Singh selbst gilt als integer, doch bot seine Politik viele Möglichkeiten
> zur Korruption.
Bild: Manmohan Singh: Seine Tage als Regierungschef sind wohl gezählt.
DELHI taz | Es könnte ein Zeichen von Stärke sein: Erstmals seit Indiens
marktliberalen Reformen der 90er Jahre will die Regierung einen
parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur wachsenden Korruption
einsetzen. Doch wenn Premierminister Manmohan Singh am Dienstag wie
angekündigt den Ausschuss ins Leben ruft, werden ihm das die meisten Inder
als Zeichen eklatanter Schwäche auslegen.
"Ich bin nicht der große Schuldige, den ihr aus mir macht", versuchte Singh
zuletzt den Sturm der Kritik gegen seine Amtsführung abzuwehren. Doch
erstmals in seiner Karriere - Singh verfügte als Finanzminister vor 20
Jahren Indiens Marktöffnung und gewann mit der Kongresspartei 2004 und 2009
die Parlamentswahlen - steht er allein da.
Ein Korruptionsskandal nach dem anderen erschütterte zuletzt seine
Regierung. Schon befindet sich sein jüngst zurückgetretener
Telekom-Minister in Untersuchungshaft. Alte Bündnisgenossen setzen sich ab.
Singh sei ein "ehrlicher Premierminister, der über eine der korruptesten
Regierungen der jüngeren indischen Geschichte präsidiere", glaubt der
Wirtschaftsphilosoph Gurcharan Das, der Singh lange Zeit bewunderte.
Solche Worte sind Wasser auf die Mühlen einer Opposition, der die
Korruptionsskandale ein von vielen schon nicht mehr für möglich gehaltenes
neues Leben eingehaucht haben. Schon im Dezember boykottierte die
Opposition eine Sitzungsperiode lang das Parlamentsgeschehen. Da lehnte die
Regierung einen Untersuchungsausschuss noch ab.
Doch was zunächst wie ein unsinniger Boykott der Opposition aussah, erwies
sich mit jeder neuen Enthüllung als angemessen. So blieb der Regierung zu
Beginn der parlamentarischen Haushaltsberatungen am Montag keine andere
Wahl, als dem Ausschuss zuzustimmen. Andernfalls hätte die Opposition ihren
Boykott fortgesetzt und den Haushalt in Gefahr gebracht.
Jetzt dürften jahrelange Anhörungen zur Korruption folgen. Allein im
Telekom-Skandal geht es um die Veruntreuung von umgerechnet 30 Milliarden
Euro staatlicher Einnahmen aus Mobilfunklizenzen. Mitschuldig ist die Crème
de la Crème der indischen Unternehmerschaft: Die Ambani-Milliardäre ebenso
wie die superreichen Tatas. Mit ihnen verspricht der Ausschuss echtes
Spektakel zu bieten. Nur weitere Enthüllungen werden von ihm kaum erwartet.
Wohl aber wird es reichlich Gelegenheit geben, den systempolitischen Effekt
von Singhs Reformpolitik zu analysieren. Angetreten war er einmal, um mit
Marktgesetzlichkeit die Korruption im Nehru-Sozialismus zu bekämpfen. Nun
zeigt sich: Die Reformen schufen ihren eigenen, von den Summen her viel
größeren Korruptionssumpf. Gerade für das aufgeklärte indische Publikum ist
das nicht leicht zu verdauen: Vor den Skandalen "war Indien ein Land, in
dem es sich nicht schlecht leben ließ", bemerkt Vinod Mehta, Chefredakteur
des indischen Wochenmagazins Outlook. Es klingt fast so, als habe Indien
für Mehta jetzt erst seine liberale Unschuld verloren.
Singh will der Stimmung nun mit längst versprochenen, aber bislang
uneingelösten Reformen entgegentreten. Vor allem soll ein in der Verfassung
verankertes Recht auf Lebensmittelsicherheit durchgesetzt und die hohe
Inflation bekämpft werden. "Ich werde Kurs halten", sagt Singh immer wieder
und dass er nicht an Rücktritt denke.
Ihm bleiben noch volle drei Jahre bis zur nächsten Wahl. Seine Koalition
ist kaum auszuhebeln, weil die Kongresspartei mit Abstand am stärksten ist.
Trotzdem sind heute schon viele Nachrufe auf Singh zu lesen.
21 Feb 2011
## AUTOREN
Georg Blume
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