# taz.de -- Kommentar zur Guttenberg-Affäre: Raubbau an der Demokratie | |
> In der Guttenberg-Affäre kommt eine Art Selbstaufgabe der Politik zum | |
> Vorschein. Wer populär ist, darf mehr als andere. Und die "Bild" macht | |
> kräftig mit. | |
Die Universität Bayreuth hat Guttenberg den Doktortitel aberkannt und dabei | |
freundlicherweise offengelassen, ob der Baron absichtlich getäuscht hat. | |
Die Union hofft, dass die Affäre damit erledigt ist. | |
Nur geschummelt, nicht betrogen - das muss reichen, um Minister zu bleiben. | |
Außerdem hat Guttenberg doch so nobel von selbst seinen Doktortitel | |
zurückgegeben und herablassend dem Bundestag kundgetan, sein Verhalten sei | |
"beispielgebend". Denn der Baron hat freiwillig auf den Titel verzichtet - | |
was macht es schon, dass dieser Verzicht so freiwillig war wie der Griff | |
des Ertrinkenden nach dem Rettungsring. | |
Die Union mutet der Öffentlichkeit ziemlich viel zu. Noch dazu sollen wir | |
ja glauben, dass der forsche Minister absichtslos auf 270 Seiten Texte | |
geklaut hat, ohne davon selbst etwas mitzubekommen. Das ist die | |
regierungsamtliche, von Angela Merkel abgesegnete Version. Und wer daran | |
zweifelt, ist bloß neidisch auf Guttenbergs Popularität. All das klingt wie | |
ein fernes Echo von George Orwells "1984", wo die Regierung beschließen | |
kann, dass 2 plus 2 gleich 5 ist. Nur dass Guttenbergs 2011 keine schwarze | |
Terrorwelt, sondern eine lustige, bunte Seifenoper ist. | |
In diese Szenerie passt, was Bild derzeit tut. Noch nie hat ein Medium so | |
bedingungslos Stimmung für einen Politiker gemacht.Triumphal verkündet | |
Bild, dass seine Leser hinter Guttenberg stünden - und verschweigt, dass in | |
einer Onlinebefragung die Mehrheit dessen Rauswurf fordert. Das hat mit | |
Journalismus nichts, mit politischer Kampagne viel zu tun. Bild und | |
Guttenberg sind eine beispiellose Symbiose eingegangen. Deshalb wirkt es so | |
anrüchig, wenn das Verteidigungsministerium ausgerechnet Bild äußerst | |
großzügig mit Bundeswehranzeigen bedenkt. | |
In der Guttenberg-Affäre kommt eine Art Selbstaufgabe der Politik zum | |
Vorschein. Was als noch legitim gilt, entscheiden Leserpolls von | |
Boulevardblättern. Wer populär ist, darf mehr als andere. Guttenberg ist | |
das Idol, das über den Institutionen schwebt, jung, energisch, unabhängig. | |
Der Kult um ihn ist die andere Seite der Politikverdrossenheit, der | |
Verachtung der politischen Klasse. | |
Kurzfristig ist Merkels Welt wieder in Ordnung. Der Minister darf im Amt | |
bleiben, die Aufregung wird schon langsam verebben. Langfristig ist das | |
Raubbau an der Demokratie. | |
24 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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