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# taz.de -- Guttenberg und die Uni Bayreuth: Unstrittig eine Täuschung
> Nach der Aberkennung von Guttenbergs Doktortitel wenden sich 70 Dozenten
> an den bayerischen Wissenschaftsminister. Auch die Uni Bayreuth kommt
> nicht zur Ruhe.
Bild: Der Präsident der Universität Bayreuth, Rüdiger Bormann.
BAYREUTH taz | Seit sich andeutet, dass das Fehlverhalten des
Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) keinen Rücktritt
wert ist, melden sich die Wissenschaftler zu Wort. 70 Dozenten der
Ludwig-Maximilians-Universität München verfassten einen offenen Brief an
den bayerischen Wissenschaftsminister. Darin kritisieren sie den Eindruck,
"es habe sich bei dem Verhalten des Promovenden um ein Kavaliersdelikt wie
Falschparken gehandelt, das im Wissenschaftsbetrieb allerorten üblich sei".
Noch konsequenter geht der Berliner Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister
zu Werke: Er kündigte an, auf die Verwendung seines Doktortitels zu
verzichten, "solange Freiherr zu Guttenberg noch als Minister dieses Land
vertritt". "Wie will eine Bundesregierung überhaupt noch bildungspolitisch
verantwortlich handeln, wenn sie vorsätzliche akademische Täuschung zum
Kavaliersdelikt erklärt?", fragt er. Und sieht "die Idee einer universellen
Scientific Community, mit ihren Regeln der Überprüfbarkeit und
Originalität, Kritik und Präzision", bedroht.
Wenn ein Bundesminister große Teile seiner Dissertation fälschen darf, ohne
dafür ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen, dann steht nicht nur die
Bedeutung wissenschaftlicher Standards zur Diskussion. Es geht dann auch um
die Frage, was intellektuelle Leistung diesem Land noch wert ist.
An der Universität Bayreuth haben sie zunächst einmal andere Sorgen. Auch
wenn das keiner öffentlich sagen mag, so treibt die Angst um den guten Ruf
der Uni auch Professorenschaft und Universitätsleitung um. Mit jedem Tag,
an dem die Zeitungen über den Skandal berichteten, wurde aus der
Guttenberg-Affäre immer mehr eine Affäre um die Universität Bayreuth.
Wie konnte es passieren, dass Guttenbergs Doktorvater Häberle, in der
Fachwelt angesehen und im Wissenschaftsbetrieb jahrzehntelang erfahren,
seinem Doktoranden das Abkupfern, Fälschen und Täuschen durchgehen ließ?
Wie konnte eine Arbeit, die mittlerweile auch von politisch unverdächtigen
Rechtswissenschaftlern als in inhaltlicher Hinsicht allenfalls mittelmäßig
eingeschätzt wird, mit der Höchstnote "summa cum laude" bewertet werden?
Fehlten der Universität Kontrollmechanismen, ließen sie sich blenden vom
aufstrebenden CSU-Jungstar, oder gab es gar weiter gehende politische oder
finanzielle Einflussnahmen?
Es ist Mittwochabend, 19.30 Uhr, als sich Universitätspräsident Rüdiger
Bormann diesen Fragen nicht stellen will. Bormann will vor allen Dingen
seine Hochschule aus der Schusslinie nehmen. Tagelang erweckte die
Universitätsleitung den Eindruck, die Verfahren der zuständigen
Kommissionen könnten sich über Wochen hinziehen. Am Mittwochnachmittag aber
beruft Bormann überraschend eine Pressekonferenz für den Abend ein.
Im Senatssaal der Universität versammeln sich hektisch herbeitelefonierte
Fernsehteams, einige Lokalzeitungen und eine Handvoll Studierender. Bormann
sagt: "Wir haben Ihnen eine wichtige Mitteilung zu machen. Die Universität
Bayreuth erkennt Herrn zu Guttenberg den verliehenen Doktortitel ab."
Die Promotionskommission der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät hat das - einstimmig - entschieden, sie sieht die Grundsätze
wissenschaftlichen Arbeitens durch die "wörtliche oder sinngemäße Übernahme
von Textstellen ohne hinreichende Kennzeichnung" verletzt. Das
Eingeständnis Guttenbergs, seine Dissertation enthalte "gravierende
handwerkliche Fehler", und die Bitte um Rücknahme des Doktortitels haben
der Kommission die Arbeit erleichtert. Damit war die Täuschung unstrittig,
man konnte auf langwierige Anhörungen verzichten und eine Frage aussparen:
Täuschte Guttenberg vorsätzlich?
Für die politischen und möglichen strafrechtlichen Konsequenzen ist diese
Frage zentral. Natürlich, gibt Bormann zu, hätte man die Frage nach dem
Vorsatz in die Kommissionarbeit "inkludieren können". Aber es habe ein
"allseitiges Interesse" an einer "zügigen und schnellen Entscheidung"
gegeben.
Es ist schließlich die Bundeskanzlerin, die die schlüssigste Interpretation
für das Krisenmanagement der Universität liefert. Am Mittwochabend sagt
Angela Merkel: "Die Entscheidung der Uni Bayreuth liegt auf der Linie
dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat."
24 Feb 2011
## AUTOREN
Niklas Wirminghaus
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