# taz.de -- Arabische Revolution: Von Intensivtätern zu Sympathieträgern | |
> Die arabische Revolution verändert auch unsere Gesellschaft: Plötzlich | |
> liefern die Medien ein anderes Bild arabischstämmiger Einwanderer. | |
Bild: Menschen mit politischen Einstellungen und Wünschen: Anti-Mubarak-Protes… | |
Bislang sieht es so aus, als sei der revolutionäre Aufbruch in vielen | |
arabischen Ländern einer hin zu mehr Demokratie und Menschenrechten. | |
Bestätigt sich das, wäre das eine wunderbare Veränderung für die | |
Gesellschaften und die Menschen, die dort leben. Und wenn wir ein bisschen | |
Glück haben, bringt es auch unsere Gesellschaft etwas weiter in diese | |
Richtung auf den Weg. | |
Wer jetzt die hiesigen Medien verfolgt, kann schon Anzeichen solcher | |
Veränderung bemerken: Plötzlich sieht man im Fernsehen hier lebende | |
Menschen arabischer Herkunft, die selbstbewusst und sogar schlau über | |
Politik, über Freiheit und Demokratie reden, die politisch denken und dies | |
in ausgezeichnetem Deutsch artikulieren können. Statt der im Zweifelsfall | |
kriminellen arabischen Großfamilie, die sich um Integration nicht die Bohne | |
bemüht und sich um ihre immer viel zu vielen Kinder immer viel zu wenig | |
kümmert, so dass diese erst Schulversager und dann Drogendealer, | |
Intensivtäter oder S-Bahn-Schläger werden, zeigen die Fernsehbilder uns | |
plötzlich selbstbewusste junge Männer und Frauen, die ihr Haar offen tragen | |
und politische Ansichten haben. Im Frühstücksfernsehen darf gar ein | |
offensichtlich frommer Muslim in traditionell arabischer Kleidung, | |
flankiert von zwei verschleierten Frauen, seine Sicht auf die Vorgänge in | |
Libyen und den Nachbarländern darlegen – und tut dies mit klaren Argumenten | |
und in bestem Deutsch. | |
Arabischstämmige Deutsche, deutsche Araber zeigt uns das Fernsehen | |
neuerdings, Menschen, die hier leben, mitreden und gehört werden wollen, | |
die hier ganz offenbar gut angekommen sind und sich dennoch für die | |
Vorgänge in ihren Herkunftsländern (oder denen ihrer Eltern) interessieren. | |
Nicht mehr als verstockte, religiös verbohrte Integrationsverweigerer | |
werden sie derzeit präsentiert, sondern als Sympathieträger: Heldinnen und | |
Helden eines unterstützenswerten Ziels. | |
Selbst der kurz von manchen Medien gestartete Versuch, aus dem | |
Freiheitskampf in arabischen Ländern ein Flüchtlingsproblem für die | |
Europäische Union zu konstruieren, ist ungewöhnlich schnell verebbt: 4.000 | |
tunesische Flüchtlinge mögen auf der kleinen Insel Lampedusa mit kaum mehr | |
EinwohnerInnen ein logistisches und damit je nach politischer Einstellung | |
entweder ein humanitäres oder ein "Überfremdungs"-Problem darstellen: Dass | |
diese Flüchtlinge aber, über deren Fluchtgründe man anders als sonst gut | |
informiert war, eine Bedrohung für die EU mit ihrer Bevölkerung von über | |
500 Millionen Menschen sein sollen, war der deutschen Öffentlichkeit | |
offenbar nicht überzeugend zu vermitteln. | |
Gut so! Besteht nun die Chance, dass sich etwas verändert an dem Bild, das | |
in unserer Gesellschaft, in der islamophobe Einstellungen weit verbreitet | |
sind, insbesondere von Einwanderern aus muslimischen Ländern besteht? Sie | |
sind momentan im Bild der Medien keine amorphe gesichtslose Masse | |
hoffungslos integrations- und deutschenfeindlicher und demokratische Werte | |
kulturell bedingt ablehnender Fremdlinge mehr, sondern Menschen, engagierte | |
Individuen mit politischen Einstellungen und Wünschen - und persönlichen | |
Gründen und historischen Hintergründen dafür, die es sich anzuhören und | |
kennenzulernen lohnt. Sie sind ernstzunehmende und ernst genommene | |
Gesprächpartner. | |
Sollte sich solcher Blick auf die Einwanderer in Deutschland festigen, | |
sollte diese der Kommunikation geöffnete Tür auch künftig offen bleiben, | |
hätte die Revolution der AraberInnen auch in diesem Land etwas für mehr | |
Demokratie und Menschenrechte getan. | |
25 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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